Lohnkürzungen machen nicht wettbewerbsfähig
DGB klartext 02/2013
Bundesregierung und Bundesbank loben Europas Krisenländer: Ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessere sich. Die Defizite in der Leistungsbilanz – also die Lücke zwischen hohen Importen und niedrigen Exporten – gehe dank der „Reformen“ in diesen Staaten zurück. Die Logik: Wenn die Krisenländer Löhne senken, sinken auch die Kosten für Unternehmen. Exportgüter können billiger angeboten werden und werden attraktiver für Käufer im Ausland.
Aber das ist keinesfalls immer so. Beispiel Spanien: Die spanische Regierung setzt seit Mitte 2010 zwar rabiate Reformen auf dem Arbeitsmarkt um, kürzt Löhne und Arbeitnehmerrechte. Spanische Exportgüter werden aber nicht billiger. Im Gegenteil – sie verteuern sich zum Teil stark, was auf eine stabile Auslandsnachfrage nach spanischen Waren hinweist. Offensichtlich sind die Güter bereits so wettbewerbsfähig, dass sie sogar höhere Preise erzielen können (siehe Grafik). Die Lohnkürzungen steigern hier also nicht die preisliche „Wettbewerbsfähigkeit“. Sie haben aber ganz andere Effekte.
Zum einen führen die niedrigeren Einkommen direkt zu mehr Armut und Ungleichheit. Wer weniger Geld hat, kann auch weniger kaufen – die Binnennachfrage bricht ein. Das trifft vor allem die lokalen Märkte und Unternehmen. Die Wirtschaftsleistung schrumpft und das spanische Volkseinkommen sinkt insgesamt. Gleichzeitig wachsen aber trotz Rezession die Gewinneinkommen. Grund: Wenn die Lohnstückkosten massiv sinken, die Exportunternehmen ihre Preise aber trotzdem erhöhen können, steigen deren Gewinne. Kurz: Was bei den Arbeitnehmern gekürzt wird, landet direkt bei den Eigentümern der Unternehmen.
Die spanischen Exporte wachsen auch nicht schneller als zu Zeiten stark steigender Lohnstückkosten. Vielmehr schwindet mit jeder Lohnkürzung auch die kaufkräftige Nachfrage nach Importen. So geht das Defizit in der spanischen Leistungsbilanz zwar zurück. Allerdings nicht wegen überproportional starker Exporte, sondern weil die Importe massiv sinken.
Kanzlerin Merkel, die den Kürzungskurs im Süden heute lobt, machte 2008 und 2009 hierzulande das Gegenteil. Weil trotz geringerer Produktion damals keine Lohnsenkungen und kaum Entlassungen bei der Kernbelegschaft stattfanden, sondern Kurzarbeit ausgeweitet wurde, verteuerte sich die Produktion. Die deutschen Lohnstückkosten stiegen stark. Arbeitsmarkt und Binnennachfrage blieben dadurch aber stabil. Unternehmen hielten an ihren Fachkräften fest – ein Vorteil als auch die Exportnachfrage wieder stieg.
In Irland, Spanien und anderen Krisenländern wandern hingegen Hochqualifizierte wegen der schlechten Situation ins Ausland ab. Das verschlechtert die Wettbewerbsfähigkeit dauerhaft. Gleichzeitig schädigt der Rezessions- und Sparkurs-bedingte Rückgang öffentlicher und privater Investitionen langfristig Produktionsstätten und Infrastruktur.
Lohnkürzungen schaden Europa. Die EU braucht eine Stabilisierung der Konjunktur und der Arbeitsmärkte. Sie braucht Investitionen in den Aufbau nachhaltiger Wirtschaftsstrukturen. Europa braucht einen Marshallplan.
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