Steuerstreit – Popanz um Reförmchen

Von Axel Troost

05.10.2013 / linksfraktion.de, 04.10.2013

Ein Gemeinwesen ist ohne Steuern nicht vorstellbar. Schulen und Kindergärten, Sporteinrichtungen, Krankenhäuser, Polizei und Gerichte – das alles ist unverzichtbar und muss durch Steuern und Abgaben finanziert werden. Finanzpolitik regelt auf demokratische Weise, wer welchen Beitrag für das Gemeinwesen zu erbringen hat. Dabei geht es immer auch um Fragen der Gerechtigkeit. Wer nicht will, dass eine kleine Elite weiter obszöne Reichtümer anhäuft, während anderen das Geld für einen Familienausflug fehlt, muss gegensteuern. Wer die Finanznot der Kommunen beenden will, muss gegensteuern. Selbst wer daran nichts ändern will, muss Steuern ständig neu austarieren, eben weil sich die Welt ständig ändert. Wer also jegliche Steuerhöhung pauschal ausschließt (wie Horst Seehofer oder Volker Kauder), agiert damit auf dem Niveau der Tea Party-Bewegung.


Union – Anwalt der Reichen und Superreichen

Genau betrachtet macht sich der Steuerstreit aber vor allem an der medialen Stimmungskampagne gegen die Steuerpläne der bisherigen Oppositionsparteien zur Einkommensteuer fest. Wer sich die Zahlen ansieht, stellt fest, dass aus einer Mücke ein Elefant gemacht wird. Ob ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von 100.000 Euro effektiv mit 35,6 Prozent (geltender Tarif 2014) oder mit 36,9 Prozent belastet wird (SPD), ist aus verteilungspolitischer Sicht und verglichen mit anderen Belastungen relativ unerheblich. Erst bei höheren Einkommen würde der Effekt spürbar, aber auch dann würde die SPD nicht den Zweitporsche für die Unternehmergattin gefährden. Mit der Ablehnung der Vermögensteuer, für die sich die SPD gar nicht sonderlich stark gemacht hat, und mit dem Festhalten an der Erbschaftsteuer, wo die SPD eigentlich nur verfassungsrechtlich unhaltbare Missstände korrigieren will, macht sich die Union endgültig zum Anwalt der Reichen und Superreichen.

Einkommen ist in Deutschland immer ungleicher verteilt. Während Mitte der 1990er Jahre die obersten zehn Prozent noch das Sechsfache des Einkommens der untersten zehn Prozent erzielten, betrug das Verhältnis 2008 schon das Achtfache. Laut Industrieländerorganisation OECD lag (West-) Deutschland 1980 bei der Einkommensverteilung noch auf dem Niveau der skandinavischen Staaten. Heute liegt Deutschland im Mittelfeld der OECD-Staaten. Der rasanteste Anstieg fällt dabei in der Ära der Regierung Schröder. Klar also, dass sich die SPD in Koalitionsverhandlungen mit der Union mit überschaubaren Änderungen abspeisen lassen wird.

Für einen Strategiewechsel ist es nie zu spät

Politik ist dafür da, etwas zu verändern und nicht nur auf Stimmungsmache zu reagieren. Für die programmatisch entkernte CDU ist Machterhalt immer mehr die leitende Devise. Die SPD hat sich durch den Ausschluss einer rot-rot-grünen-Koalition die Realisierungschance für etliche ihrer Forderungen selbst verbaut. Doch für einen Strategiewechsel ist es nie zu spät.