Axel Troost ist finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag
Die Wall Street in New York scheint nach jüngsten Meldungen
kurz vor dem Kollaps zu stehen. Wie wirkt sich das international aus?
Die Pleite von Lehman Brothers sowie die Probleme bei Merill Lynch und
dem US-Versicherer AIG sind besorgniserregend. Man hat Angst, sich
auszumalen, was als nächstes kommt und wie nahe das ganze System am
Abgrund steht.
Schlägt diese Krise jetzt auch auf uns durch? Indizien für eine Rezession in Deutschland gibt es ja schon.
Ich gehe davon aus, daß nicht nur Deutschland, sondern auch die
Euro-Zone tief in die Rezession rutschen. Das ist aber nicht nur der
Finanzkrise anzulasten. Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung ist
grundsätzlich falsch, sie setzt nur auf den Export und die Interessen
der Unternehmen – der Abschwung wäre daher mit Sicherheit früher oder
später auch so gekommen. Man darf der Bundesregierung jetzt nicht den
Gefallen tun, daß sie sich mit Hinweis auf die Finanzkrise aus der
Verantwortung stehlen kann.
Wie sollte die Politik denn jetzt dagegenhalten?
Das
Dilemma ist selbstverschuldet. Die Politik hat die Finanzmärkte in den
vergangenen 30 Jahren in unverantwortlichem Maße von der Leine gelassen
und steht jetzt vor den Scherben ihrer Deregulierungspolitik. Wir
brauchen wieder harte Eingriffe und Kontrollen für den Finanzsektor.
Leider zeichnet sich zur Zeit nicht einmal ab, daß die dominierenden
Regierungen und Parteien überhaupt solche Konsequenzen ziehen wollen.
Und selbst wenn sie es täten, könnten sie der Krise so nicht mehr
beikommen, denn eine Re-Regulierung kann erst in mittlerer Frist
wirken.
Auch in Deutschland kann die Krise nach wie vor zu einer
Bedrohung des gesamten Finanzsystems werden. Dann gibt es leider keinen
anderen Weg, als den Geldinstituten staatlich unter die Arme zu
greifen, obwohl sie eigentlich als Mitverursacher der Krise bestraft
werden müßten. Natürlich müssen staatliche Rettungspakete so sparsam
wie möglich eingesetzt werden, aber man darf sie auf keinen Fall
ausschließen. Sonst riskiert man tatsächlich eine Weltwirtschaftskrise
vom Kaliber der 1920er und 1930er Jahre.
F:Würden Konjunkturprogramme helfen?
Die
USA haben das ja gemacht und dafür sogar von traditionell neoliberalen
Ökonomen Zustimmung bekommen. Die USA sind bei der Begrenzung des
Schadens ein wenig einsichtiger als die Europäer. Die Verbohrtheit, mit
der die EU-Finanzminister, allen voran Bundesfinanzminister Peer
Steinbrück (SPD), jede Stützung der Konjunktur durch staatliche Impulse
ablehnen, ist für mich realitätsferner Dogmatismus. Wenn man den Karren
schon so in den Dreck gesteuert hat, wie kann man dann voller Empörung
die Hilfe eines Abschleppdienstes ablehnen?
Wird der Steuerzahler letztlich für die Stützungsmaßnahmen aufkommen müssen?
Die
werden unmittelbar zur Kasse gebeten, wenn Banken mit staatlicher Hilfe
aufgefangen werden, wie z.B. bei der IKB in Deutschland oder in den USA
bei Fannie May und Freddie Mac. Das sind die Fehler der Vergangenheit:
Mit der hemmungslosen Deregulierung der Finanzmärkte wurden Zeitbomben
scharf gemacht, die jetzt explodieren.
Wie die Atomkraft und die
Gentechnik hat auch die Mechanik entfesselter Finanzmärkte ein
ungeheuerliches Zerstörungspotential. Aufgabe der Politik ist es aber,
die Menschen vor solchen Gefahren zu schützen. Leider haben neoliberale
Politiker diese Gefahren in den letzten Jahrzehnten überhaupt erst
geschaffen.
Die Kapitalseite macht aber doch auch Vorschläge, etwa die Einrichtung einer Liquiditätsreserve. Was wäre davon zu halten?
Die
Initiative mehrerer Großbanken zur Errichtung einer Liquiditätsreserve
hilft kaum weiter; bislang wollen nur wenige Banken kooperieren. In
einer Vertrauenskrise wie der jetzigen ist aber ein verbindlicher
Mechanismus nötig, der alle Geschäftsbanken einschließt und sie an den
Kosten der Krise beteiligt. Dazu hat meine Bundestagsfraktion bereits
im April einen Sicherungsfonds für den privaten Finanzsektor
vorgeschlagen. Aber das wird wohl auch abgelehnt werden.