Studie: Der Dax in Steueroasen

Steuertricks gehören zum Geschäftsmodell aller 30 DAX-Konzerne

02.06.2020 / DIE LINKE. im Bundestag

Zusammenfassung

Verschiedene Länder begrenzen in der aktuellen Krise Staatshilfen für Konzerne mit Beteiligungen in Steueroasen. Diese Studie verfolgt das Ziel, ausfindig zu machen, ob auch DAX-Konzerne in Steueroasen präsent sind und wie transparent sie dabei vorgehen. Dax-Konzerne sind dazu verpflichtet, ihren Anteilsbesitz offenzulegen. Das bedeutet, den Namen und den Sitz ihrer Beteiligungen sowie den Kapitalanteil und in Teilen Angaben zu jeweiligem Eigenkapital und Ergebnis der Beteiligungen zu veröffentlichen.

Die Klassifizierung von Steueroasen geschieht auf Basis des »Corporate Tax Haven Index« des Tax Justice Networks, der Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete der EU (sogenannte schwarze Liste) sowie den Top 15 Steueroasen für Unternehmen gemäß Oxfam. Des Weiteren wurde der US-Bundesstaat Delaware gesondert betrachtet.

Die Analyse führt zu dem Ergebnis, dass von insgesamt 18.045 Beteiligungen der DAX-Konzerne 3.791 ihren Sitz in einer Steueroase haben. Am häufigsten vertreten ist Delaware mit 2.085 Beteiligungen gefolgt von den Niederlanden (525), Luxemburg (256) und der Schweiz (187). Spitzenreiter bei den Unternehmen sind Fresenius Medical Care mit 1.323 Beteiligungen, Allianz mit 376 und die Deutsche Bank mit 221. Außerdem verbuchen 17 Konzerne mehr als eine Milliarde Euro Gewinne in Beteiligungen in Steueroasen. Spitzenreiter sind Allianz (12,56 Mrd.), Deutsche Telekom (7,12 Mrd.) und Merck (6,39 Mrd.).

18 DAX-Konzerne haben insgesamt 100 Beteiligungen in einem Land bzw. Gebiet, dass auf der schwarzen Liste der EU verzeichnet ist. Davon fallen 84 Prozent auf Panama und die Kaimaninseln. Nur 2,6 Prozent der Beteiligungen, die nach der Definition dieser Studie in einer Steueroase angesiedelt sind, werden durch die EU-Liste abgedeckt.

Nicht nur rein private Konzerne sind in Steueroasen präsent, sondern auch Konzerne in Bundesbesitz oder an denen der Bund größere Anteile hält. Obwohl in mehreren Steueroasen effektive Ertragssteuersätze von 0% anfallen, gibt die Bundesregierung an, dass keine der Gesellschaften auch nur teilweise dem Zweck der Steueroptimierung dient.

Selbst innerhalb Deutschlands sind verstärkte Ansiedelungen in Gewerbesteueroasen zu beobachten. Von insgesamt 4.364 DAX-Beteiligungen in Deutschland liegen 374 – oder 8,6 Prozent – in Gewerbesteueroasen.

Die Bilanzen der meisten Konzerne geben wenige Informationen darüber preis, in welchen Staaten die Unternehmen tatsächlich wirtschaftlich aktiv sind. Allianz, Linde und Wirecard veröffentlichen die wenigsten länderbezogenen Daten. Das höchste Transparenz-Level bietet die Deutsche Bank aufgrund Vorgaben des EU-Rechts.

Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass Steueroasen zum Geschäftsmodell der DAX-Konzerne gehören. Um eine fundierte öffentliche Diskussion über die Geschäftspolitik multinationaler Unternehmen zu ermöglichen, wäre mehr Transparenz eine Minimalanforderung. Es liegt überdies nahe, Staatshilfen an Bedingungen zu knüpfen, die Geschäfte in Steueroasen zulasten der Allgemeinheit erschweren. 

 

Vorwort
Von Fabio De Masi  

Steuertricks gehören zum Geschäftsmodell aller 30 DAX-Konzerne. Unsere Studie zeigt, dass die Flaggschiffe der deutschen Wirtschaft von Delaware bis Luxemburg mit tausenden Töchtern in Steuerparadiesen vertreten sind. Selbst Unternehmen mit Bundesbeteiligungen verfügen über hunderte Töchter in Steueroasen. Das untergräbt die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung bei der internationalen Steuerdiplomatie gegen Steuervermeidung von Konzernen. Es ist ein Skandal, dass bei Bahn, Post, Telekom und Commerzbank nicht einmal Einfluss auf die Geschäftspolitik genommen wird, wenn es um Steuervermeidung geht.

Auch Gewinne aus Deutschland sind in den Steueroasen geparkt. Steueroasen und Schattenfinanzplätze scheuen das Licht der Öffentlichkeit. Die Bundesregierung blockiert seit Jahren die Einführung einer Veröffentlichungspflicht von Kennzahlen wie Beschäftigte, Umsätze, Gewinne und gezahlte Steuern pro Land.

Wenn Konzerne in der jetzigen Krise Staatshilfen beantragen, sind sie dem Steuerzahler Rechenschaft schuldig. Daher müssen nicht nur Dividenden, Aktienrückkäufe und Manager-Boni ausgeschlossen sein. Die Bundesregierung sollte auch von Dänemark und Frankreich lernen und Konzerne verpflichten, ihren Anteilsbesitz in Steueroasen auf der schwarzen Liste der EU zu schließen sowie bei sonstigen Töchtern in Steueroasen wichtige Kennzahlen für alle Länder offenzulegen. Es kann nicht sein, dass die Lufthansa weit über Börsenkurs mit Steuermilliarden gerettet wird und gleichzeitig Gewinnverschiebung betreibt – etwa wenn eine Tochter auf Malta mit zwei Mitarbeitern angeblich 200 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet. Bei Beteiligungen über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds muss in die Geschäftspolitik eingegriffen und aggressive Steuerplanung unterbunden werden.

Unsere Studie zeigt auch, dass die Liste der EU unzureichend ist, da sie nicht einmal 3 Prozent der DAX-Töchter in Steueroasen insgesamt umfasst. Der bisherige Kampf gegen Gewinnverschiebung ist unzulänglich. Wir brauchen bessere Steuergesetze gegen Steuervermeidung wie eine Besteuerung von Digitalkonzernen auch am Ort des Umsatzes und Quellensteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen. 

Fabio De Masi ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender und finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag.

 

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
2. Wie funktioniert Steueroptimierung?
3. DAX-Unternehmen in Steueroasen

3.1 Steueroasen 
3.2 Daten 
3.3 Ergebnisse
3.4 Anteilsbesitz in Staaten der schwarzen Liste der EU
3.5 Gewinne in Steueroasen
3.6 Offshore-Beteiligungen von Unternehmen im Bundesbesitz
3.7 Gewerbesteueroasen 
4. Transparenz
5. Konzerne im Fokus

5.1 Deutsche Telekom
5.2 Linde 
5.3 Deutsche Bank
6. Fazit
Literaturverzeichnis 


Autor: Steffen Redeker  
Redaktion: Stefan Herweg