Finanztransaktionssteuer: Die verstümmelte Steuer
Der Artikel ist zuerst erschienen im Online-Magazin der Linken auf www.links-bewegt.de
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Die Corona-Pandemie ist nach der Finanzkrise der zweite schwere Schock für die Europäische Währungsunion. Beide Krisen haben die wirtschaftliche Spaltung der EU und der Eurozone erheblich beschleunigt. Als Reaktion auf die milliardenschwere Bankenrettungsprogramme hatten die Bundesregierung, weitere europäische Staaten und die EU-Kommission vor etwa zehn Jahren die Einführung einer umfassenden Finanztransaktionssteuer beschlossen. Wäre der 2011 für die EU und 2013 für die elf Staaten der Verstärkten Zusammenarbeit vorgelegte Richtlinienentwurf der EU-Kommission zügig umgesetzt worden, hätten die daran beteiligten Staaten in den vergangenen Jahren Einnahmen im Gesamtumfang von mehreren hundert Milliarden Euro erzielt. So schätzte die EU-Kommission das EU-weite Aufkommen (mit Großbritannien) pro Jahr auf 55 Milliarden Euro, für die Staaten der Verstärkten Zusammenarbeit auf 34 Milliarden. Dieses Geld hätte sinnvoll für Armutsbekämpfung und den sozial-ökologischen Umbau verwendet werden können. Angesichts der bevorstehenden größten Rezession seit dem zweiten Weltkrieg fehlt es umso mehr.
Die Finanztransaktionssteuer ist eine Steuer mit sehr niedrigen Erhebungskosten und einem sehr großen Einnahmepotenzial. Das heißt: Es kostet wenig, sie einzuziehen, obwohl so enorme Summen für die öffentliche Hand zusammenkommen. Sie zielt auf diejenigen, die auf den Finanzmärkten große Geldbeträge bewegen und ist deshalb eine Steuer, die vor allem von Reichen und Superreichen gezahlt wird. Geld wird damit von dort, wo es im Übermaß vorhanden ist, dorthin gelenkt, wo es am Dringendsten benötigt wird. Gleichzeitig erfüllt die Steuer eine Regulierungsfunktion, indem riskante Finanzwetten zurückgedrängt werden.
Die Finanztransaktionssteuer ist in den letzten Jahren leider bis zu Unkenntlichkeit verwässert worden. Nach den derzeitigen Plänen der deutschen und französischen Regierung sollen nur noch der Handel mit Aktien, nicht aber mit Anleihen und Derivaten besteuert werden. Auch der umstrittene Hochfrequenzhandel, der sich innerhalb von Minuten oder Sekundenbruchteilen abspielt, soll von der Steuer ausgenommen werden. Das Steueraufkommen würde damit auf einen Bruchteil schmelzen und die Regulierungsfunktion zunichtegemacht, denn gerade riskante hochspekulative Finanzgeschäfte werden nicht besteuert. Schon vor der Corona-Pandemie war dieser Plan falsch. In einer Situation, in der unerwartet ein riesiger Finanzbedarf auftaucht, wird er erst recht zum Irrweg. Für den wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas, der an eine nachhaltige Entwicklung und Finanzhilfen für die ärmsten Staaten der Erde geknüpft ist, ist eine umfassende europäische Finanztransaktionssteuer unverzichtbar.
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