Axel Troost im Interview: Pendler zahlen Zeche für Merkel & Co.
Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE., zur Debatte über die Entfernungspauschale, die aktuelle Steuerschätzung und andere finanzpolitische Aufreger
Zunächst eine persönliche Frage an den Finanzfachmann Troost: Was ärgert Sie, wenn Sie in diesen Tagen den Fernseher anschalten und finanzpolitische Diskussionen verfolgen?
Na, das ist einfach zu beantworten: Im Moment regt mich die Verlogenheit auf, mit der über Steuermehreinnahmen diskutiert wird. Laut Steinbrück ist jetzt – nach der aktuellen Steuerschätzung – angeblich kein Spielraum für Mehrausgaben, die wenigstens die krassesten Sozialabbau-Projekte der letzten Jahre korrigieren. Gleichzeitig haben der Finanzminister und seine Koalition aber gerade eine Unternehmensteuerreform beschlossen, die den Staat nach unabhängigen Schätzungen rund 10 Milliarden Euro pro Jahr kosten wird. Da wird ganz offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen. Für Steuergeschenke an Unternehmen ist genug Geld da, für eine gute soziale Sicherung nicht. Diese Verlogenheit regt mich wirklich auf – und motiviert mich dazu, dem etwas entgegenzusetzen.
Aber ist es nicht naiv, die Ergebnisse der aktuellen Steuerschätzung einfach zu ignorieren?
Dass die aktuelle Steuerschätzung nicht ganz so optimistisch ausfällt, überrascht mich nicht. DIE LINKE hat immer gesagt: Wachstum schafft Steuereinnahmen. Nicht immer neue unsoziale Sparpakte senken die Staatsverschuldung, sondern zusätzliche Steuereinnahmen – auch durch relativ hohes Wachstum. Wenn nun die Wachstumsprognosen nicht mehr ganz so rosig ausfallen, merkt man dies auch an den Steuereinnahmen.
Wichtig ist: Eintrübende Wachstumsprognosen und Steuerschätzungen sind überwiegend Folgen einer falschen Politik der Großen Koalition. Der Aufschwung blieb labil – und zwar weil die Binnennachfrage schwächelte und die Mehrwertsteuererhöhung nachwirkte. Hätte es die unsoziale Mehrwertsteuererhöhung nicht gegeben, hätten wir heute ein stabileres Wachstum und damit auch mehr Steuereinnahmen.
Wäre denn noch genug Geld da, um beispielsweise die Einschränkungen bei der Entfernungspauschale rückgängig zu machen?
Ohne Zweifel ja. Auch die aktuelle Steuerschätzung geht ja von Mehreinnahmen für 2008 von einstelligen Milliardenbeträgen aus. Aber darf gar nicht die Frage sein.
Sondern?
DIE LINKE fordert, dass die Einschränkung der Entfernungspauschale komplett zurückgenommen wird – aus verteilungspolitischen Gründen, aber auch aus rechtsstaatlichen Gründen. Die Kürzung durch Union und SPD war einmal mehr ein Versuch, einseitig zu Lasten von ArbeitnehmerInnen Steuern zu erhöhen. Bei der Entfernungspauschale sind die Pendler gezwungen, die Zeche für Merkel & Co. zu zahlen. Mit dem Wegfall der Absetzbarkeit der ersten 20 Kilometer ist zudem ein unglaubliches Maß an Willkür verbunden. Auch deshalb sind wir kategorisch für die Rückkehr zur früheren Regelung. Sonst kommt die Koalition womöglich bei der nächsten Sparrunde auf die Idee, pauschal nur noch jedes vierte Fachbuch oder nur die Hälfte von entstandenen Bewerbungskosten oder keinen Bürobedarf oder Handwerkszeug anzuerkennen. Diverse Gerichtsentscheidungen, zuletzt des Bundesfinanzhofs, haben uns in dieser Auffassung bestärkt. Nun hat auch die Regierungskoalition einmal mehr einsehen müssen, dass sie viele handwerkliche und inhaltliche Fehler macht.