Euro-Ängste: Nach Innen expansive Geldpolitik – Nach Außen: Die Weltwirtschaft verträgt vier, abgestimmte Reservewährungen
Die für die Euro-Versorgung zuständige Europäische Zentralbank hat auf ihrer letzten Sitzung in diesem Jahr mal wieder ihre geldpolitische Sturheit unter Beweis gestellt. Der Leitzinssatz, zu dem sich die Banken kurzfristig Geld besorgen können, bleibt bei 4%. Damit nehmen die „Währungshüter“ erneut keine Rücksicht auf die Krise, die auf die zum Verkauf gebündelten, flauen Immobilienkredite zurückzuführen ist. Dagegen ist in Großbritannien erstmals seit zwei Jahren der Leitzins gesenkt worden. Die US-Notenbank hatte bereits in drei Schritten die Geldversorgung verbilligt. All dies beein-druckt die Verantwortlichen im Eurotower in Frankfurt/M. nicht. Die Abkoppelung wirkt überheblich, auch weil die Immobilienkrise durch verteuerte und knappe Kredite mittler-weile auch in Deutschland auf die Produktionswirtschaft durchschlägt – und hier vor allem auf die kleinen und mittleren Unternehmen, die derzeit auf Kredite angewiesen sind. Stattdessen wird wieder einmal vom EZB-Präsidenten Trichet ein Inflationsge-spenst beschworen. Die Sorge, die Gewerkschaften könnten den Inflationszuwachs bei den Lohnabschlüssen zuschlagen und dadurch eine Preis-Lohn-Spirale in Gang setzen, steht im Mittelpunkt. Die oftmals wirtschaftliche Wachstumsprozente und Beschäftigung kostende Restriktionspolitik der Deutschen Bundesbank lässt grüßen. Sicherlich, die Inflationsrate hat im November seit langer Zeit die 3% erreicht. Die EZB-Monetaristen verorten die entscheidende Ursache in einer gegenüber dem gesamtwirtschaftlichen Angebot viel zu großen Nachfrage. Diese Inflationserklärung taugt gegenüber den wah-ren Ursachen nichts. Sie dient am Ende dem Ziel, von der Suche nach den wahren, für die Gesamtwirtschaft relevante Preistreiber abzulenken. So hat der Staat mit der Erhö-hung des Normalsteuersatzes bei der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte auf 19% zu Beginn dieses Jahres die Inflation für die Verbraucherinnen und Verbraucher ange-heizt. Wo bleibt die Kritik der EZB an diesem staatlich zu verantwortenden Kaufkraftver-lust? Beim Klau der Kaufkraft durch Preistreiberei gesellen sich die zum Teil alt bekann-ten Preissetzer hinzu: Die Ölmultis und die darauf konzentrierten Spekulanten, die vier deutschen Energiegiganten, die ohne plausible Kostenbelege Strom und Gas verteuern sowie die für den täglichen Bedarf wichtigen Lieferanten vor allem von Milchprodukten. Die Suche nach einer Kritik dieser Preisabzockerei durch die Eurobanker verläuft erfolg-los. Umso frecher ist die vorauseilende Kritik an den dafür nicht verantwortlichen Ge-werkschaften, die allerdings in der kommenden Tarifrunde einen Inflationsausgleich verlangen könnten.
Während sich die Europäische Zentralbank mit einer falschen Erklärung der Ursachen geldpolitisch auf eine Dämpfung des Euro-Binnenwerts konzentriert, bleibt sie im Um-gang mit dem Außenwert des Euro völlig sprachlos. Dabei definiert der Euro-Wechselkurs die Menge etwa an US $, die für einen Euro zu haben ist. Gegenüber dem US-Dollar nähert sich der Euro der magischen Grenze von 1,50 US $. Dabei wird in ernstzunehmenden Prognosen eine Aufwertung auf über 1,60 US $ für einen Euro für realistisch gehalten. Wegen der hohen Produktqualität und den motivierten Beschäftig-ten hat die deutsche Exportwirtschaft bisher die Lasten der Euroaufwertung recht gut verkraftet. Derzeit droht jedoch die Schmerzgrenze erreicht zu sein. Dort, wo die Pro-duktion aus deutschen Standorten in US $ fakturiert wird, führt dessen Abwertung zu Verlusten. Für eine Lieferung eines PKW zum Preis von 40 000 $ in die USA wurden beim Kurs von 1,30 US$ knapp 30 770 ¤ erzielt, während beim magischen Wechselkurs von 1,50 $ nur noch 26 400 ¤ zu kassieren sind. Diesen Belastungen stehen die Vortei-le durch die billigeren Importe auf Dollarbasis gegenüber. So sinken die Einkaufskosten für Rohstoffe etwa durch das Grobblechwerk in Ilsenburg (im Harz). Dies müsste auch für die in Dollar fakturierten Ölpreise gelten. Hier liegt allerdings der Verdacht nahe, dass die Ölkonzerne die Vorteile aus dem billigeren Dollar selbst einkassieren und nicht an die Kunden an der Zapfsäule weitergeben. Jedenfalls lohnt sich der Einkaufsbummel der Einkommensstarken und Reichen in den Protzläden von New York.
Wie kann die nicht nur die deutsche Wirtschaft belastende Entwicklung des Euro-Dollarpreises gestoppt werden? Dabei ist die wichtig: Die Stärke des Euro ist maßgeb-lich die Folge der Schwäche des US $. Derzeit verliert der US $ aus vielen Gründen seine Leitwährungsfunktion – und das ist gut so. Um so mehr stellt sich jedoch die Fra-ge, was alternativ zu tun ist. Derzeit wird die Weltwirtschaft durch die radikale Verände-rung der Wechselkurse immer schwerer kalkulierbar. Hinzu kommen die Spekulanten mit Devisen. Von dem weltweiten Tagesumsatz an Devisen mit über 2,5 Bio. US $ sind deutlich unter 5% durch Handelsgeschäfte bzw. die Produktionswirtschaft verursacht, d.h. über 95% werden spekulativ bewegt. Einerseits müssen die Devisenspekulationen über eine Besteuerung im Rahmen der Tobinsteuer spürbar belastet werden. Anderer-seits verträgt die Weltwirtschaft durchaus mehrere Reservewährungen. Es wäre wahnsinnig, aus der Schwäche des Dollars heraus dem Euro die Leitwährungsfunktion zu übertragen. Einer erster Schritt wäre ein Accord zwischen den vier Megawährungen: US-Dollar, japanischer Yen, Euro und vor allem die chinesische Landeswährung Ren-minbi. Kurzfristig sind großen Notenbanken gefordert, mit abgestimmten Interventionen die Wechselkursschwankungen zu bändigen. Dazu muss China endlich seine politisch bewusst unterbewertet gehaltene Renminbi-Währung (Einheiten der Währung in Yuán) flexibilisieren, auch um die Exportexpansion zu bremsen. Denn, wie die Weltwirt-schaftskrise von 1928/32 nach wie vor eindrucksvoll lehrt: Die heutigen Exportvorteile einer ökonomischen Großmacht durch eine unterbewertete Währung werden am Ende durch wachsenden Protektionismus und damit den Zerfall der Weltwirtschaft bestraft.
Aus einer gemeinschaftlichen Politik der Abstimmung der Wechselkurse zwischen dem Leitwährungsquartett könnte sich ein bereits Anfang der 1940er Jahre durch John May-nard Keynes, Begründer der modernen Wirtschaftspolitik, propagiertes Weltwährungs-system entwickeln.
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