Schwert der Kommunen
Gemeinden kaufen Stromnetz zurück und setzen auf Ökostrom
Die nordhessische Stadt Wolfhagen kauft ihr Stromnetz zurück und bezieht Energie aus Wasserkraft. Andere Gemeinden ziehen nach.
Wolfhagen geht bei der Stromversorgung neue Wege. Die Stadtwerke haben vom Energiekonzern E.on jetzt das Stromnetz für 2,4 Millionen Euro zurückgekauft. Und durch dieses wird mit Beginn des neuen Jahres nur noch Öko-Strom zum Verbraucher geleitet.
Neuer Partner und Lieferant ist die österreichische Elektrizitätswirtschafts AG. Das Unternehmen ist Mitteleuropas führender Anbieter von Strom aus Wasserkraft. Ein TÜV-Siegel soll sicherstellen, dass nur zertifizierte Wasserkraftwerke die Strommengen ins Netz einspeisen, die in Wolfhagen benötigt werden. »Auf diesem Weg gewinnen wir die Sicherheit, guten, sauber erzeugten Strom zu beziehen«, sagt der parteilose Bürgermeister Reinhard Schaake. Das österreichische Unternehmen stehe zudem dafür ein, dass seine Gewinne nur in Wasserkraftwerken reinvestiert werden.
In den Genuss der Energie aus Wasserkraft kommen zunächst alle Tarifkunden der Stadtwerke Wolfhagen. Sie erhielten ab Januar »ganz automatisch ausschließlich regenerativ erzeugten Strom«, verspricht Schaake. Allerdings bezögen einige Ortsteile ihren Strom noch immer über E.on. »Wenn diese Bürger demnächst ebenfalls sauberen und preisgünstigen Wasserkraftstrom beziehen möchten, müssen sie ihren Stromversorger aktiv wechseln.«
Für Schaake und die Stadtratsmehrheit ist die Umstellung auf Wasserkraft nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz. »Wir – und mit uns jeder Bürger, der sich bewusst für die Stadtwerke entscheidet – setzen auch ein Signal gegen Marktkonzentration«, sagt der Bürgermeister. »Darauf können wir stolz sein.« Das Beispiel der Stadt zeige, dass gerade kleine, kommunale Versorger wichtige Impulse für einen nachhaltigen Wandel bei der Energiebeschaffung liefern könnten.
Aus Schaakes Sicht stärkt jeder Wolfhager, der zu den Stadtwerken wechselt, auch seine eigene Stadt. Die Erlöse aus dem Stromverkauf kämen der Kommune »und damit letztlich dem Gemeinwohl und jedem Einzelnen zugute«. Zudem würden 28 Arbeitsplätze bei dem Unternehmen gesichert.
Einen Haken hat die Sache allerdings. Der saubere Strom aus den Alpen gelangt nur über Fernleitungen ins eigene lokale Netz, die den großen Energiemultis gehören. Die kassieren Durchleitungsgebühren, was die Energie für die Wolfhagener Kunden verteuert. Insgesamt, verspricht der Bürgermeister den Verbrauchern, werde der Öko-Strom aber nicht teurer als der überwiegend aus Kohle und Atomkraft erzeugte bisherige Strommix.
Das gute Beispiel aus Wolfhagen macht derweil Schule. Allein im Kreis Kassel will Medienberichten zufolge rund die Hälfte der 29 Städte und selbstständigen Gemeinden ihre Verträge mit E.on aufkündigen. Die Stadt Kassel hatte bereits Ende Oktober bekannt gegeben, ab 2008 nur noch Öko-Strom zu beziehen. »Die Kommunen erkennen, dass sie mit den Konzessionsverträgen über ein scharfes Schwert verfügen, mit dem sie sich gegen die Willkür der Energieriesen wehren können«, sagt der Geschäftsführer der Stadtwerke Wolfhagen, Martin Rühl.
Auch jenseits der hessischen Landesgrenzen orientieren sich Städte in Sachen Strom neu. So kündigte die Stadt Göttingen kürzlich an, ebenfalls auf Strom aus regenerativen Energiequellen umzusteigen. Zunächst für die Dauer von zwei Jahren hat die Kommune einen Liefervertrag mit dem Hamburger Versorger Lichtblick geschlossen.