Maximal das Zehnfache der Wertschöpfung

04.01.2008 / Von Heinz-Josef Bontrup*, Neues Deutschland

Die aktuelle Debatte und Kritik an der Höhe von Managergehältern in Kapitalgesellschaften greift zu kurz. Auch die Einkommen von Unternehmern in inhabergeführten Personengesellschaften und Einzelunternehmen sind in der Regel mit nichts zu rechtfertigen. Ohne Arbeit zu leisten werden sogar die Kapitaleigner bedient: die Fremdkapitalgeber über Zinszahlungen und die Eigenkapitalgeber über Gewinnausschüttungen. Nicht zu vergessen sind die Miet- und Pachtzahlungen an Grundeigentümer. Diese Form der Überschussaneignung nur auf Grund von Kapitalbesitz – nicht selten sogar nur ererbt – kann bei einer Kritik an Managergehältern nicht außen vor bleiben.

Im Kontext einer holistischen Einkommensdebatte muss deshalb die gesamte Verteilungsfrage stehen. Diese findet in den Medien leider nicht einmal auf kleinster Flamme statt. Und dies, obwohl es unter dem seit Langem dominant gewordenen Neoliberalismus eine gigantische Umverteilung von unten nach oben gegeben hat und die Vermögensbestände in Deutschland erschreckend ungleich verteilt sind. Die Kluft zwischen Arm und Reich hat enorm zugenommen. Jedes sechste Kind wächst mittlerweile in Armut auf.

Der schottische Nationalökonom und Moralphilosoph Adam Smith zeigte schon 1776 in seinem epochalen Werk »Der Wohlstand der Nationen« den kapitalistisch unauflösbaren Widerspruch auf: Was die Kapitaleigner von der arbeitsteilig geschaffenen Wertschöpfung an Gewinn, Zins, Miete und Pacht erhalten, können die Arbeiter nicht mehr an Lohn bekommen. Auch was Manager und Unternehmer sich an horrenden Einkommen (Unternehmerlohn) für den Einsatz ihrer Arbeitskraft einverleiben, steht natürlich den abhängig Beschäftigten ebenfalls nicht mehr als Verteilungsmasse zur Verfügung.

Wie ist aber der Wert einer einzelnen Arbeitskraft – und damit auch eines Managers – in einem Unternehmen bestimmbar? Die Wirtschaftswissenschaft hilft hier nicht wesentlich weiter. Erklärte die klassische Ökonomik den Unterschied zwischen dem Wert der Arbeit (Wertschöpfung) und dem Wert der Arbeitskraft (Lohn) noch als einen dem Kapital zufließenden Mehrwert, so basiert dieser gemäß der subjektiven (neoklassischen) Wertlehre seit Beginn des 20. Jahrhunderts auf unternehmerischen Leistungen (Managerleistungen) und der Bereitstellung von Kapital sowie daraus abgeleiteter Opportunitätskosten.

Egal welche Wertlehre aber zu Grunde liegt: Einzig neuwertschöpfende Arbeit wird nur so lange von Unternehmen nachgefragt, wie der Einsatz einer zusätzlichen Arbeitskraft den Mehrwert der Kapitaleigner maximiert. Dazu muss der Reallohn der Grenzproduktivität der Arbeit entsprechen. Dies Verhältnis ist aber in der Realität für einen einzelnen Beschäftigten nicht bestimmbar. Das Wertgrenzprodukt von Josef Ackermann (Vorstandsvorsitzender der Deutsche Bank) oder Wendelin Wiedeking ist nicht errechenbar, genauso wenig wie das eines jeden anderen Beschäftigten. Lediglich die gesamte Wertschöpfung und ihre Verteilung auf die Lohnsumme, Zinsen, Mieten/Pachten und Gewinne kann ermittelt werden. Fest steht hierbei, dass die Beschäftigten nie den vollen Wert ihrer Arbeit erhalten. Sie bekommen nur die Lohnsumme zugesprochen, obwohl ein Unternehmen erst durch seine Beschäftigten zu einem wertschöpfenden Unternehmen wird.

Eine »leistungsgerechte Entlohnung« je Beschäftigten innerhalb der Wertschöpfungssumme gibt es nicht. Deshalb sind auch alle Rechtfertigungen von Managern und ihren Claqueuren, die Managergehälter seien nicht überzogen hoch, nicht mit Gerechtigkeitsmaßstäben messbar. Sicher spielt die jeweilige Marktkonstellation bei der Lohnbestimmung eine Rolle. Ist die Arbeitskraft knapp, so kann sie andere Forderungen stellen als bei einem Überschussangebot. Aus Verknappung resultiert Macht. Nicht nur bei Tarifverhandlungen, sondern auch bei der Festlegung von Managergehältern. Außerdem argumentieren Manager gerne mit ihrer unternehmerischen Hierarchiemacht. Mit dieser müsse, so mystifizieren sie ihr Umfeld, die Entlohnung in Einklang gebracht werden. Gleichzeitig hat sich hieraus eine Vorstellung entwickelt, die mit einem autokratischen und paternalistischen Führungsdenken – gegen jede Mitbestimmung der Beschäftigten – verbunden ist. Nur die oberste Ebene sei einzig und allein für das Wohl und Weh eines Unternehmens verantwortlich. Diese Selbstüberschätzung, stellt der Ökonom Rudolf Hickel zu Recht fest, »spiegelt sich in unersättlichen Einkommensansprüchen wider«. Dabei ist der Einzelne jederzeit austauschbar. Dies gilt uneingeschränkt auch für jeden Manager oder Unternehmer – insbesondere für die vielen »Nieten in Nadelstreifen« (Günther Ogger).

Wenn es auch, wie aufgezeigt, keine gerechte und objektiv messbare ökonomische Methode zur Bestimmung eines individuellen Arbeitsentgeltes gibt, so lassen sich doch vor den oben geschilderten Wertableitungen allgemeine Kriterien zur zukünftigen Vermeidung von heute völlig überzogenen Einkommensansprüchen durch Manager angeben. Da Managergehälter eine Arbeitsleistung vergüten sollen, müssen sie auch an ihrer Arbeit und im Vergleich zu den anderen Beschäftigten gemessen werden. Keiner schafft dabei einen 100-fachen oder gar 300-fach höheren Wertschöpfungsbeitrag als der Durchschnitt aller Beschäftigten in einem Unternehmen, ohne die überhaupt keine Wertschöpfung zustande käme. Der einzelne Manager ist ohne die Beschäftigten in einem Unternehmen nichts wert. Die Bezahlung von Top-Managern kann deshalb auch nur maximal das Zehnfache der jahresdurchschnittlichen Wertschöpfung pro Beschäftigten – also dem durchschnittlichen Wert der Arbeit in einem Unternehmen – betragen. Daneben können die Manager bei herausragenden Leistungen noch am Gewinn der Unternehmen in Form einer Tantieme beteiligt werden. Dies aber nur dann, wenn alle anderen Beschäftigten auch eine Gewinnbeteiligung erhalten.


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* Prof. Dr. Heinz-Josef Bontrup, wurde 1953 in Haltern geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften und promovierte 1985 an der Universität Bremen. Von 1985 bis 1990 war Bontrup wissenschaftlicher Abteilungsleiter am Bremer Progress Institut für Wirtschaftsforschung. Seit 1996 ist er Professor für Betriebswirschaft an der Fachhochschule Gelsenkirchen. Heinz-Jürgen Bontrup ist Vertrauensdozent der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung und Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik.