Stoppt die Enteignung von Geschenken zu Konfirmation und Kommunion!
Weihnachten und der Jahreswechsel liegen hinter uns. Das Frühjahr kommt in Sichtweite. Das Frühjahr ist traditionell die Zeit der Kommunionsfeiern in der katholischen Kirche und der Konfirmationsfeiern in der evangelischen Kirche. Eigentlich sind das kirchlich-familiäre Feiern ohne politischen Bezug.
Das Kommunion und Konfirmation nun doch eine Politisierung erfahren, ist den so genannten Hartz Reformen zu verdanken. In der „Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld“ heißt es in § 1 „Nicht als Einkommen zu berücksichtigende Ein-nahmen“: Als Einkommen sind nicht zu berücksichtigen: „1. einmalige Einnahmen und Einnahmen, die in größeren als monatlichen Zeitabständen anfallen, wenn sie 50 Euro jährlich nicht übersteigen“.
Nach dem Hartz-IV-Gesetz ist bei Einnahmen immer zu prüfen, ob die Bedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft gegeben sei, erläuterte die Sprecherin der NRW-Regionalagentur für Arbeit, Diana Appelhoff, bereits im April letzten Jahres gegenüber dem WDR. Das gilt auch für Konfirmations- und Kommunionsgeschenke. Geschenke bis zu einem Wert von 50 Euro, so Appelhoff seinerzeit, seien kein Problem. Aber alles, was über 50 Euro hinausgehe, gelte grundsätzlich als Einnahme. Und Einnahmen sind grundsätzlich auf die ALG-II-Leistung anzurechnen. Andererseits, so Appelhoff weiter, hätten die Arbeitsagenturen vor Ort Ermessensspielräume, müssten also nicht automatisch alle Geschenke im Wert von über 50 Euro auf die ALG-II-Leistungen anrechnen. Diese Regelung gilt im übrigen auch für Geschenke anlässlich einer Jugendweihe.
Konfirmation und Kommunion sind einmalige Feiern im Leben eines Menschen, ebenso wie eine Jugendweihe. Geschenke, die zu diesem Anlass gemacht werden, auf ALG-II-Leistungen anzurechnen, ist deshalb ein unsäglicher Skandal. Sinnfälliger kann die Spaltung unserer Gesellschaft kaum noch werden: Die Kinder der Familien, die ihre Einkommen selbst erwirtschaften können, können Geschenke in einem beliebigen Wert bekommen, ohne fürchten zu müssen, dass sie ihnen wieder abgenommen werden. Ihre Geschenke stehen unter dem Schutz des Privateigentums, den das Grundgesetz garantiert. Niemand darf sie ihnen nehmen. Kindern hingegen, deren Eltern auf ALG-II-Leistungen angewiesen sind, gilt der grundgesetzliche Schutz des Privateigentums nicht mehr. Die Hartz-Gesetze verpflichten die Agentur für Arbeit, ihnen Geschenke im Wert von über 50 Euro faktisch zu enteignen, indem sie auf die ALG-II-Leistungen angerechnet werden. Die Entscheidung darüber ist bis zu einem gewissen Grad ins Ermessen der Mitarbeitenden der örtlichen Arbeitsagenturen gelegt. Damit ist sie letztlich deren Willkür überlassen. Wohlgemerkt: Es geht hier nicht um Geschenke im Millionenwert, die einen ALG-II-Beziehenden dauerhaft zu einem wohlhabenden Kapitaleig
ner machen! Der grundgesetzlich verankerte Schutz des Eigentums gilt also nur dem, der hat, nicht aber dem, der auf Solidarleistungen angewiesen ist. Das ist eine radikale Abkehr von der ebenfalls im Grundgesetz verankerten Sozialpflichtigkeit von Eigentum, zu der die Enteignung der Armen, wie sie durch Hartz-IV festgeschrieben ist, im krassen Gegensatz steht.
Die Kirchen verstehen sich als Glaubensgemeinschaften, deren Lebenspraxis auf dem Prinzip der Gleichheit aller Menschen, der Nächstenliebe und einer gerechten und solidarischen Güterverteilung basieren. In ihrem Sozialwort „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“ von 1997 haben die evangelische und die katholische Kirche sehr konkret beschrieben, was diese Prinzipien aus ihrer Sicht für das praktische Leben und Wirtschaften heute bedeutet. Die in unserer Gesellschaft existierende Armut mit dem gleichzeitig bestehenden Reichtum dieser Gesellschaft zu bekämpfen, war eine der konkreten Forderungen des Sozialwortes.
Wo aber bleibt heute der Protest der Kirchen gegen die drohende Enteignung der Kon-firmations- und Kommunionsgeschenke der Kinder von ALG-II-Beziehenden? Die Christliche Nächstenliebe macht diesen Protest zur Pflicht einer jeden Kirchengemeinde, eines jeden Pfarrers und einer jeden Pfarrerin! Möglichkeiten, dem Protest Ausdruck zu verleihen, gibt es genug: Von der Predigt über Resolutionen der Kirchengemeinde, Anfragen, Protestbriefen und Anträgen an Kommunalparlamente, Kreistage, Landesparlamente und Bundestag. Jetzt zum Jahresbeginn ist noch ausreichend Zeit, den nötigen politischen Druck aufzubauen, damit den Kindern der ALG-II-Beziehenden nicht die Konfirmations- und Kommunionsgeschenke enteignet werden. Die Kirchen sind an dieser Stelle gefordert, nun in diesem Sinne aktiv zu werden!
-------------
* Pfarrer im Kirchenkreis Bochum als Referent an der Evangelischen Stadtakademie Bochum, Mitglied des Parteivorstandes der Partei DIE LINKE.