Zug der Erinnerung: Stopp im Hauptbahnhof verwehrt
»Zug der Erinnerung« darf nicht im Herzen der Stadt halten / Organisatoren kündigen Proteste an
Noch sechs Tage, dann sollte der »Zug der Erinnerung« nach den Planungen der Organisatoren unter anderem zunächst im Grunewald Station machen. Doch die Signale für die Ausstellung, mit der an die Deportation von Hunderttausenden Kindern in die faschistischen Todeslager während des Holocaust erinnert wird, stehen weiter auf Rot – jedenfalls, was zwei der insgesamt fünf geplanten Haltestellen betrifft.
»In der zentralen Gedenkstätte Gleis 17 im Grunewald gibt es keinen Bahnsteig, damit Menschen aus- und einsteigen können«, erläuterte ein Unternehmenssprecher der Deutschen Bahn AG das Verbot dem ND. Zudem sei das entsprechende Gleis stillgelegt. »Dort darf man nicht mehr einfahren«, so der Bahnsprecher. Auch für den Hauptbahnhof sieht der Bahnkonzern keine Möglichkeit, die Ablehnung eines Stopps im Herzen der Stadt zu revidieren: »Dampfloks dürfen nicht durch den Hauptbahnhof fahren.« Die Kritik, die in den letzten Tagen sowohl in den Medien als auch von vielen Persönlichkeiten und Politikern an der Verfahrensweise der Bahn laut geworden war, wies der Unternehmenssprecher indes zurück. »Wir stehen für jedes Gespräch bereit und wollen auch eine Lösung finden.« Es sei jedoch Aufgabe der Initiatoren, deswegen auf den Bahnkonzern zuzugehen.
Hans-Rüdiger Minow, Sprecher der bundesweiten Bürgerinitiative, die den »Zug der Erinnerung« mitinitiiert hat, geht davon aus, dass die Einschränkungen der Bahn rechtsmissbräuchlich sind. »Selbstverständlich ist die Einfahrt mit einer Dampflok möglich.« Dies habe sich erst unlängst im Hamburger Hauptbahnhof gezeigt. Auch das Argument einer hohen Taktzahl der Züge im Hauptbahnhof, womit der Konzern außerdem das Einfahrverbot begründet, lässt Minow nicht gelten. Die Bürgerinitiative vermutet dagegen, dass die Bahn nur Vorwände sucht, um die mobile Ausstellung zu behindern. »Wir interpretieren dies als Versuch, ein Gedenken an einem prominenten Platz zu verhindern«, sagte Minow.
Damit die Ausstellung, die in ganz Deutschland bereits 160 000 Menschen gesehen haben, wie geplant halten kann, hofft die gedenkpolitische Initiative jetzt auf weitere Unterstützung durch den rot-roten Senat.
»Der Senat muss seine territoriale Hoheit gegen das Bahnunternehmen durchsetzen«, fordert Hans-Rüdiger Minow. Sollte die Blockadehaltung jedoch nicht aufgehoben werden, kündigt die Bürgerinitiative massive Proteste an: Man wolle in diesem Fall den historischen Zug auf privatem Industriegelände abstellen. Welchen Eindruck eine historische Schau über das größte deutsche Verbrechen mitten auf einem Schrottplatz fernab des Zentrums der Hauptstadt machen wird?
Während Kulturstaatssekretär André Schmitz gegenüber ND es »nicht verständlich« nannte, »warum der Hauptbahnhof nicht genutzt werden kann«, forderte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) die Deutsche Bahn auf, das Projekt angemessen zu unterstützen. In einer Erklärung stellte er fest: »In der deutschen Hauptstadt ist der Holocaust erdacht und geplant worden. Die Juden Berlins sind von den Nationalsozialisten systematisch in die Vernichtungslager gebracht worden, und zwar mit der Eisenbahn. Deshalb muss es gerade in Berlin möglich sein, dass ein verdienstvolles Gedenkprojekt wie der ›Zug der Erinnerung‹ in unserer Stadt jede Form von Unterstützung erfährt.«
Weiterhin streiten die Initiatoren und die Bahn über die Trassengebühren. Der rot-rote Senat hat das Projekt mit 8000 Euro unterstützt, das Bundesverkehrsministerium hat 15 000 Euro für den Aufenthalt des Zuges in Berlin gespendet.