Interview: Ost-West-Konflikt in der LINKEN?

12.04.2008 / Fragen: Gabriele Oertel, Neues Deutschland

Axel Troost zu Ausgaben-Streit und ökonomischer Alphabetisierung / Der 53-jährige Volkswirtschaftler, der seit 2005 für die LINKE im Bundestag sitzt, ist finanzpolitischer Sprecher der Fraktion


ND: In der LINKEN gibt es Streit, ob die Partei ein Zukunftsprogramm in Höhe von 50 Milliarden Euro fordern soll. Sie gehören zu denen, die einen entsprechenden Antrag eingebracht haben und handelten sich prompt Kritik der finanzpolitischen Sprecher der Ost-Landtagsfraktionen ein. Sauer?


Troost: Es geht nicht nur um ein Investitionsprogramm, sondern um die Frage der Grundlinien alternativer Wirtschaftspolitik. Wir haben in diesem Antrag die Frage der Stärkung des privaten Verbrauches durch Lohnerhöhung, Mindestlohn, Rentensteigerungen usw. mit der Frage der deutlichen Ausweitung der öffentlichen Ausgaben durch ein mittel- und langfristig angelegtes Investitionsprogramm verbunden. Es geht uns dabei nicht um Einzelheiten – über die kann und muss man natürlich diskutieren –, sondern um eine Einordnung in eine Gesamtstrategie.

Nun sagen die, die sich mit Finanzen in den letzten Jahren herumgeschlagen haben, für solch ein Programm stünden schlicht keine Mittel zur Verfügung. Falsch?


Wir wie die finanzpolitischen Sprecher gehen übereinstimmend davon aus, dass Mehreinnahmen zwischen 65 und 70 Milliarden Euro möglich sind. Unterschiedlich sind die Auffassungen, wie das Geld verwendet werden soll. Die Finanzpolitiker wollen unter anderem 16 Milliarden für die Schuldentilgung des Bundes verwenden.

Und das wollen Sie nicht?


Wir setzen andere Prioritäten und das muss man auch, wenn man ernsthaft die Massenarbeitslosigkeit bekämpfen und massive Schritte hin zu mehr Beschäftigung machen will. Da braucht man so ein Zukunftsprogramm.

In einem anderen Antrag der LINKEN von Anfang März ist von einem 40-Milliarden-Programm die Rede. Wochen später sind es 50 – wundersame Vermehrung?


Es gibt unterschiedliche Programme. Das, von dem Sie sprechen, wurde in der Bundestagsfraktion entwickelt. Andere Überlegungen hat zum Beispiel die Arbeitsgruppe »Alternative Wirtschaftspolitik«. Uns geht es nicht in erster Linie um Zahlen, sondern um die Grundrichtung. Über die Einzelheiten der Gesamthöhe und der Programmteile muss natürlich diskutiert werden.

Angst, als linker Maulheld zu gelten, der in Wolkenkuckuksheim wohnt, haben Sie nicht?


Nein. Unsere Sicht ist im Übrigen Bestandteil unserer »Programmatischen Eckpunkte«. Wir verweisen auf eine makroökonomische Sichtweise. Die gilt es in der LINKEN zu verankern und bedeutet, langfristig öffentliche Investitionen zu stärken, die zu mehr Wachstum und Beschäftigung, zu Steuermehreinnahmen und Minderausgaben wegen abnehmender Arbeitslosigkeit und Armut führen. So ein Programm finanziert sich zu über 50 Prozent selbst, wenn es einmal angelaufen ist.

Wie soll der offensichtliche Konflikt in der LINKEN gelöst werden?
Ich hoffe, dass wir heute im Parteivorstand darüber diskutieren. Sicherlich kann nicht sinnvoll darüber auf dem Parteitag diskutiert werden, dafür sind die Fragen vielleicht zu kompliziert. In der Programmdebatte muss diese Diskussion aber in der gesamten Partei – Ost wie West – geführt werden.

Der Konflikt wird als Ost-West-Auseinandersetzung, WASG kontra PDS, wahrgenommen.


Das ist übertrieben. Richtig ist, dass diejenigen mit gewerkschaftlichem Hintergrund die Debatte um Zukunftsprogramme besser kennen. Aber die ökonomische Alphabetisierung ist auch bei den West-Linken nötig.