Sachsen: Milbradt verlässt das sinkende Schiff
Milbradt verlässt das sinkende Schiff
Der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt wirft 16 Monate vor der nächsten Landtagswahl das Handtuch. Nach monatelangem Streit über seinen Anteil am Debakel der Sachsen LB kündigte der CDU-Politiker am Montag seinen vorzeitigen Rücktritt von allen Ämtern an. Er werde Ende Mai sowohl als Ministerpräsident als auch als Parteichef zurücktreten. Faktisch entzieht sich der führende CDU-Politiker der weiteren Krisenbewältigung.
Neuer Regierungschef soll der bisherige Finanzminister Stanislaw Tillich werden.
Milbradt stand vor allem wegen des Niedergangs der Sachsen LB unter schwerem politischem Druck. Den Notverkauf der Landesbank Sachsen stellte Milbradt als erfolgreiches Manöver dar. Seine These: „Schon heute wäre es nicht mehr möglich, die Arbeitsplätze in Leipzig zu retten und die Bank mit der LBBW (Landesbank Baden Württemberg) zu verschmelzen.“
Leider ist diese Behauptung zutreffend, denn die LB Baden-Württemberg hat an dem vermeintlichen „Schnäppchen“ keine Freude. Der Chef der LBBW Siegfried Jaschinski rückte am Wochenende mit einer neuen Teilwahrheit heraus: “Ich halte eine Inanspruchnahme der Bankbürgschaft des Freistaates durchaus für wahrscheinlich.“ Jaschinski rechnet im schlimmsten Fall mit Ausfällen von 1,2 Mrd. Euro, für die der Freistaat und damit der Steuerzahler gerade stehen müssten.
Insgesamt haftet der Freistaat mit 2,75 Mrd. Euro für die Risiken der Sachsen LB. Für die Bürgschaft wurde eine Rücklage von 830 Mio. Euro gebildet. Diese Risikoabschirmung wird in Anspruch genommen werden und – dies ist die andere Teilwahrheit – das ist noch nicht das Ende des Dramas.
Die Landesbank Sachsen ist – wie die IKB, die WestLb und viele privatkapitalistische Banken – wegen riskanter Geschäfte einer Tochtergesellschaft auf dem USHypothekenmarkt in finanzielle Schieflage geraten. Insgesamt haben die Bankmanager rund um den zurückgetretenen Chef der Sachsen LB, Herbert Süß – bei einer Bilanzsumme von 60 Mrd. Euro – Wertpapiergeschäfte außerhalb des normalen Geschäftsverkehrs im Umfang von weiteren 30 Mrd. Euro aufgebaut – ein abenteuerliches Verhältnis. Über eine irische Zweckgesellschaft wurde vor allem im US-amerikanischen Hypothekengeschäft mit gedealt. Milbradt gilt als Architekt der Bank und war in seiner Zeit als Finanzminister zugleich Chef des Verwaltungsrates der Sachsen LB. Die drohende Pleite konnte nur mit einem Notverkauf verhindert werden. Milbradt lehnte jegliche Verantwortung für die Krise ab.
Die Kontrolle der Geschäfte der Bank und ihrer irischen Tochter, der Sachsen LB Europe, sowie der damit verbundenen Risiken sei Sache des Vorstands gewesen, sagte der CDU-Politiker vor dem Untersuchungsausschuss in Dresden. Er fühle sich für falsche Entscheidungen von Bankmanagern nicht verantwortlich. Der sächsische Ministerpräsident nannte die Gründung der Sachsen LB im Jahr 1991 eine richtige Entscheidung. Auch die Einrichtung der Sachsen LB Europe mit Sitz in Dublin sei wegen der damit verbundenen Steuervorteile in Ordnung gewesen. Dass diese später ihre Geschäfte ausgeweitet und hohe Verluste erwirtschaftet habe, sei damals nicht vorhersehbar gewesen. Die Aufsichtsgremien der Bank seien von deren Vorstand nicht ausreichend informiert worden. Dies treffe besonders auf die Kapitalmarktgeschäfte der irischen Tochter zu. Weder der Verwaltungsrat der Bank noch dessen Ausschüsse seien wegen lückenhafter und unzureichender Informationen imstande gewesen, die Risiken realistisch einzuschätzen.
Zusätzlich in die Schusslinie geriet der Ministerpräsident vor wenigen Tagen, nachdem bekannt wurde, dass er auch privat Geschäfte mit der Bank gemacht hat. Die Staatskanzlei räumte ein, dass Milbradt und seine Ehefrau von der Bank Kredite von insgesamt knapp 172.000 Euro aufgenommen hatten, um sich damit an Fondsprodukten einer Sachsen LB-Tochter zu beteiligen. Die Debatte über die Bank und Milbradts Geschäfte hatte auch einen handfesten Streit in der CDU/SPD-Koalition ausgelöst. Milbradt weiß, dass die aktuelle Nachschusspflicht für die verkaufte Sachsen LB noch nich das Ende des Dramas ist. Drei Monate nach dem Notverkauf wird jetzt das Land Sachsen mit rund 1,3 Mrd. Euro zur Kasse gebeten. Ein nüchterne Bewertung des Risiken wird zu dem Schluss kommen, dass auch der Rest der „Risikoabsicherung“ noch fällig werden wird. Milbradt zieht die politischen Konsequenzen und geht. Die sächsische CDU wird Mühe haben, mit dem angerichteten Vertrauensverlust umzugehen. Zudem steht die Koalition aus CDU und Sozialdemokratie keineswegs auf soliden Grundlagen. Drei Schlussfolgerungen drängen sich auf:
• Die Krise auf den Finanzmärkten wird noch weitere Finanzmarktakteure in den Ruin treiben. Die Krise ist noch längst nicht ausgestanden.
• Die etablierte Politik ist tief in diesen Prozess der Vermögenspreisblase verstrickt.
• Noch ist offen, wie der Großteil der Wahlbevölkerung auf diese Vermögensverluste sowie den politischen Vertrauensverlust reagieren wird.