6,5 Millionen sind Niedriglöhner
Neue Studie: Extrem geringe Stundenlöhne unter fünf Euro sind »deutsche Besonderheit«
Der Niedriglohnsektor nimmt laut einer aktuellen Studie immer erschreckendere Ausmaße an. Deutschland steht im internationalen Vergleich schlecht da.
6,5 Millionen Beschäftigte gehören in Deutschland dem Niedriglohnsektor an. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen. Der Anteil der Niedriglöhner an den abhängig Beschäftigten lag im Jahr 2006 bei über 22 Prozent, 1995 hatte er noch 15 Prozent betragen. Gründe für den Anstieg seien zu schwache Gewerkschaften, fehlende Tarifstandards, die Zunahme von Minijobs und die Konjunkturschwäche.
Die Autoren der Studie, Thorsten Kalina und Claudia Weinkopf, verwenden als Schwelle zum Niedriglohn den OECD-Standard von zwei Dritteln des mittleren Stundenlohns, der im Jahr 2006 bundesweit bei 9,13 Euro brutto lag. Weniger verdienten 41,1 Prozent der Beschäftigten in Ostdeutschland und 19,1 Prozent derjenigen im Westen. Legt man jedoch für Ost und West getrennte Lohnschwellen zugrunde, sei die Niedriglohnquote nahezu identisch.
Laut Studie ist der Anteil von Jüngeren (bis 34 Jahre), Ausländern, Frauen und Teilzeitbeschäftigten besonders hoch. Minijobber gehören zu über 90 Prozent zu den Niedriglöhnern. Auch eine abgeschlossene Berufsausbildung schützt nicht vor schlechter Bezahlung. »Nimmt man die Beschäftigten mit einem akademischen Abschluss hinzu, sind mittlerweile drei von vier Niedriglohnbeschäftigten formal qualifizierte Beschäftigte«, schreiben die Experten.
Auch im internationalen Vergleich steht Deutschland schlecht da. Der Niedriglohnanteil ist weit höher als in Dänemark, Frankreich sowie den Niederlanden und liegt nahezu auf dem Niveau Großbritanniens und der USA.
IAQ-Direktor Gerhard Bosch nannte die Ergebnisse besorgniserregend. Besonders unerfreulich seien als deutsche Besonderheit extrem niedrige Stundenlöhne von unter fünf Euro, mit denen sich zwei Millionen Menschen begnügen müssten. Zudem hätten Geringverdiener praktisch keine Aufstiegschancen.
Das DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sprach von einem »eindeutigen Alarmsignal«. Die Bundesregierung dürfe dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen, denn »hier braut sich sozialer Sprengstoff zusammen, der längst auch die Mitte der Gesellschaft erreicht hat«, sagte die Gewerkschafterin am Freitag in Berlin. Sie forderte die Einführung von »Mindestlöhnen auf breiter Front«. Der Vizevorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Werner Dreibus, sagte: »Bald ist Deutschland nicht nur Exportweltmeister, sondern auch Meister im Lohndumping.« Die Arbeitsmarktreformen und die Deregulierung der Leiharbeit seien schuld am Billiglohn-Desaster.