Mecklenburg als Vorbild für Sachsen
Verwaltungsumbau im Freistaat beschäftigt Verfassungsgericht / LINKE will Gesetze kippen
In Sachsen sollen die Landkreise und die Verwaltung neu gegliedert werden. Doch vier Kommunen ziehen vor das Verfassungsgericht, ebenso die Linksfraktion. Sie möchte das gesamte Gesetzeswerk kippen.
Seit
dem Juli 2007 gibt es zwei Heilige für Gegner von Verwaltungsreformen.
In weiten Kreisen ist zwar kaum bekannt, dass es solcher Schutzpatrone
überhaupt bedarf. Bürgermeister, die für ihre Stadt den Status als
Kreissitz retten wollen, oder die Verwaltungsexperten in Landtagen aber
haben Matthias Dombert und Wolfgang Ewer zu ihren Schutzherrn erkoren,
seit es dank ihres juristischen Beistands gelang, den von der rot-roten
Landesregierung geplanten ambitionierten Umbau von Landkreisen und
Verwaltung in Mecklenburg-Vorpommern zu kippen.
Derzeit haben
die beiden Juristen einen Arbeitsschwerpunkt in Sachsen. Dort hat der
Landtag im Januar eine Verwaltungs- und Gebietsreform verabschiedet,
mit der die Zahl der Landkreise von 22 auf zehn reduziert und viele
Aufgaben samt der dafür zuständigen Mitarbeiter an die Kommunen
übertragen werden. Gegen das Vorhaben gibt es aber anhaltenden
Widerstand: Vier Kommunen sowie die Linksfraktion im Landtag sind vor
das Verfassungsgericht gezogen. Für Plauen, Aue und den Muldentalkreis
erarbeitete Ewer die Klagen, für Grimma und die LINKE der Potsdamer
Professor Dombert, der selbst Richter am Verfassungsgericht Brandenburg
ist.
Vor allem die nur 54 Seiten lange Klage der LINKEN birgt
große Sprengkraft: Sie zielt darauf ab, die Reform, die am 1. August in
Kraft treten soll, im Kern für nichtig zu erklären. Folgen die
Verfassungsrichter in Leipzig den von ihrem Potsdamer Kollegen
formulierten Einwänden, wäre auch die für den 9. Juni angesetzte Wahl
der neuen Kreistage und Landräte obsolet. Entscheidet das Gericht nicht
mehr rechtzeitig, was wegen der für Mai geplanten Wahl neuer
Verfassungsrichter denkbar ist, müsste ein dann bereits vollzogener
Umbau rückgängig gemacht werden. Ein neuer Anlauf nähme mindestens ein
Jahr in Anspruch; allerdings wird in Sachsen 2009 auch ein neuer
Landtag gewählt.
Alternativen zur Klage in Leipzig gebe es
trotz dieser gravierenden Folgen nicht, sagt Klaus Bartl, der
Rechtsexperte der Fraktion: Einwände, wonach das Gesetzespaket teils
verfassungswidrig sei, seien in der Beratung im Landtag zwar von
Experten vorgebracht, von der CDU/SPD-Koalition aber nicht
berücksichtigt worden: »Jedes gute Argument verhallte ungehört.«
Für
äußerst bedenklich hält die LINKE vor allem den Egoismus des Landes.
Die Reform habe vor allem den Zweck, diesem den beabsichtigten
Stellenabbau zu ermöglichen. 4150 Stellen samt der dazugehörigen
Aufgaben werden an die vergrößerten Landkreise übertragen. Viele der
Aufgaben, etwa in Umwelt- und Forstverwaltung, könnten von den Kreisen
aber »gar nicht umfassend erfüllt werden«, sagt Michael Friedrich,
Verwaltungsfachmann in der Fraktion. Er befürchtet, dass
hochspezialisierte Fachleute, von denen es für das jeweilige Fachgebiet
nur eine Handvoll im Freistaat gibt, einer Kreisverwaltung zugeschlagen
werden, weil »Personalabbau beim Land einseitig den Gang der Reform
bestimmt hat«, so Friedrich.
Zu rechtfertigen ist der
tiefgreifende Umbau der Verwaltung aus solchen Motiven nicht, sagt
Bartl – zumal es sich schon um die zweite Reform seit 1994 handle. Laut
Verfassung müssten vielmehr »Gründe des Allgemeinwohls« ins Feld
geführt werden. Zudem seien die Interessen der Kommunen und deren Recht
auf Selbstverwaltung zu berücksichtigen: »Gemeinden sind nicht
politische Verfügungsmasse des Staates«, sagt Bartl, der nun hofft,
dass seine Fraktion mit Beistand des »Schutzpatrons« Dombert auch die
Richter überzeugt.