Mindestlohn als Schlüsselforderung bestätigt
Die vergangenen Wochen haben erneut eine Vielzahl von guten Argumenten für den von der LINKEN geforderten Mindestlohn gebracht. Da ist zum einen das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts. Zwar darf man bezweifeln, dass das Urteil überhaupt in der nächsten Instanz Bestand hat, aber es macht nochmals deutlich, dass ein gesetzlicher Mindestlohn den Branchenmindestlöhnen, wie sie über das Entsendegesetz durchgesetzt werden sollen, um ein vielfaches überlegen sind.
Zum anderen wurde die Notwendigkeit eines gesetzlichen Mindestlohns von deutlich über 8 Euro brutto (die LINKE fordert 8,44 Euro Mindestlohn wie in Frankreich) auch leider durch neuere Daten des Instituts für Wirtschaftsforschung aus Halle (IWH) unterstrichen. Demnach verdiente 2006 im Osten fast jeder Fünfte weniger als 7,50 Euro, im Westen war es jeder zwölfte. 7,50 Euro ist die Lohnuntergrenze, die derzeit von DGB und ver.di gefordert wird.
Statt allerdings klar zu machen, dass man von 7,50 Euro selbst bei einer Vollzeitstelle kaum leben kann, warnt das IWH noch davor, selbst ein Mindestlohn von 7,50 Euro könnte Arbeitsplätze kosten. Zwar sind die Löhne aus Sicht des einzelnen Unternehmers tatsächlich ein Kostenfaktor, aber die viel wichtigere Wirkung höherer Löhne wird immer unterschlagen: Wer mehr verdient, kann auch mehr ausgeben. Und wer mehr verdient, kann wieder zum Friseur, zum Bio-Gemüsehändler und zum Fahrradhändler gehen. Genau dort werden in der Folge viele zusätzliche Arbeitsplätze entstehen.
Das von den etablierten Parteien und neoliberalen Ökonomen immer wiederholte Argument „internationale Wettbewerbsfähigkeit“ bleibt trotzdem falsch. Wollen wir wirklich mit immer niedrigeren Löhnen den anderen Ländern Marktanteile auf dem Weltmarkt wegnehmen? Davon haben weder die Beschäftigten in Deutschland noch die Menschen in Frankreich, Spanien, Südafrika und Brasilien etwas. Die Bundesrepublik braucht mehr Binnen- und weniger Exportorientierung. Die einzigen, die davon profitieren, sind die Aktionäre der Exportunternehmen, denn ihre Gewinne sprudeln jährlich stärker.
Alle kleinen und mittleren Unternehmen aber, die für den regionalen Markt in Deutschland produzieren, und insbesondere das Handwerk werden von einem gesetzlichen Mindestlohn profitieren. Die Berliner Handwerkskammer hat sich gerade für einen gesetzlichen Mindestlohn ausgesprochen, auch weil dadurch die Ausbeutung osteuropäischer Wanderarbeiter begrenzt werden kann, die bislang gegen ihre deutschen Kollegen ausgespielt werden.
Wer immer noch behauptet, dass gesetzliche Mindestlöhne die Gewerkschaften in ihrer Tarifautonomie angreifen, hat eines nicht verstanden: Bei hoher Arbeitslosigkeit sind Gewerkschaften immer geschwächt. Es ist wie im Schwimmbecken: Wenn man keinen Boden unter den Füßen hat, und es kommt zusätzlich Druck von oben, geht man unter. Der Mindestlohn ist genau der Beckenboden, der das verhindert. Wenn erst diese Mindestabsicherung gegen das Ertrinken gegeben ist, können Gewerkschaften auch wieder Kampfbereitschaft zeigen. Das müssen sie dann aber auch, wenn sich die Lebens-umstände in der Republik nachhaltig bessern sollen.