50 Milliarden für die Zukunft
Axel Troost: Für Bildung, Gesundheit und Arbeit Besserverdienende heranziehen
Ringen um Programm und Kurs. Eine Woche vor dem Parteitag der Linken in Cottbus verteidigt der Wirtschaftswissenschaftler und Bremer Bundestagsabgeordnete Dr. Axel Troost im Gespräch mit unserem Berliner Korrespondenten Dietrich Eickmeier seinen Vorstoß für ein milliardenschweres Zukunftsprogramm. Das ist auf heftige Kritik seiner Parteifreunde im Osten gestoßen.
Frage: Herr Troost, die Agenda 2010 hat die Linkspartei stark gemacht, der Protest dagegen die Fusion mit der WASG ermöglicht. Wie lange aber kann Ihre Partei allein vom Protest leben?
Axel Troost: Ich denke, dass sich das schon verändert hat. Sicherlich ist erstmal die WASG durch die Empörung über das Arbeitslosengeld II, über Hartz IV, groß geworden. Inzwischen wird aber die Frage, was soziale Gerechtigkeit ist, viel breiter diskutiert. Das gilt auch für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oder die Frage der deutschen Kriegseinsätze. Immer mehr Wählerinnen und Wähler sehen, dass wir keine Ein-Punkt-Partei mehr sind.
Wird es denn am kommenden Wochenende auf Ihrem Parteitag in Cottbus schon ein Parteiprogramm geben oder nur Entwürfe?
Wir haben im Rahmen der Parteibildung programmatische Eckpunkte verabschiedet. Die gelten natürlich unverändert. Aber wir haben damals auch festgelegt, uns bei der Erstellung eines längerfristigen Parteiprogramms mehr Zeit zu nehmen. Wir haben jetzt eine Programmkommission gebildet, die die begonnene Diskussion darüber aufnimmt und dann einen Entwurf vorlegen wird, der in der Partei breit diskutiert werden soll. Das wird nicht mehr vor der Bundestagswahl zu schaffen sein, ich rechne damit frühestens im Jahr 2010.
Spielt da auch angesichts der unterschiedlichen Strömungen in der Linkspartei die Furcht eine Rolle, dass es durch allzu konkrete Festlegungen zum jetzigen Zeitpunkt Abspaltungen geben könnte?
Nein, ich denke schon, dass es erst einer breiten Programmdebatte bedarf. Wir haben ja sehr schnell nach dem Einzug von Mitgliedern beider Parteien in den Bundestag die Vereinigung zur Partei Die Linke vorangetrieben, ohne dass die Mitglieder in Ost und West intensiv über unterschiedliche Veränderungen in den Programmatiken diskutieren konnten. Wenn wir eine gesamtdeutsche Partei werden wollen, brauchen wir bei ganz vielen Themenfeldern eine ausführliche Diskussion. Da sollten wir nichts übers Knie brechen.
Der Ost-West-Gegensatz ist ja gerade erst am Beispiel Ihres Antrags mit der Forderung nach einem 50-Milliarden-Infrastrukturprogramm hochgekommen. Da wurde Ihnen vorgehalten, das sei zutiefst unseriös. Was entgegnen Sie den Kritikern?
Da hat es zunächst einmal viele Missverständnisse gegeben. Wir haben bei der Entwicklung des Programmes schnell erkannt, dass es nicht nur um Investitionen geht, sondern im Bereich Bildung, Gesundheit und öffentlich geförderte Beschäftigung auch um Personalausgaben. Darum haben wir gesagt, dass Zukunfts„investitions“programm ein falscher Begriff ist, und haben deshalb dann von „Zukunftsprogramm“ gesprochen. Dies haben andere aber dann so interpretiert, dass dieses Programm unsere gesamten Zukunftsvisionen umfassen würde. Das war natürlich überhaupt nicht so gemeint. Aber es gibt bei uns auch inhaltlich erhebliche Unterschiede bei der Frage, mit welchen Visionen wir in die nächsten Jahre gehen. Da erweckte ein solch großes Programm bei der Linken in den neuen Ländern, die dort ja auf vielen Ebenen politische Verantwortung trägt, den Eindruck, dies sei etwas Unsolides. Hier muss deutlich werden, dass auch wir natürlich nicht mal schnell auf Landesebene, z.B. in Sachsen oder Brandenburg, eine Milliarde mehr ausgegeben wollen, sondern dass es um ein gesamtstaatliches Zukunftsprogramm geht, das auf den verschiedensten Ebenen viele kleine Schritte erforderlich macht, um diese Maßnahmen umzusetzen und damit Massenarbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen.
Sie sprechen von uns und wir. Wer gehört denn noch zu den Verfassern?
Unmittelbar Ralf Krämer und Michael Schlecht aus der wirtschaftspolitischen Abteilung von ver.di. Aber die Forderungen gehen natürlich auf diejenigen zurück, die wie ich Verfechter einer alternativen Wirtschaftswissenschaft sind. Professoren wie Rudolf Hickel, Jörg Huffschmid oder Susanne Schunter-Kleemann, um einige aus Bremen zu nennen, und viele Hundert andere mehr.
Was passiert denn jetzt in Cottbus mit Ihrem Antrag? Welche Chancen hat er?
Den Antrag in der Ursprungsform gibt es nicht mehr. Wir haben ihn in den Parteivorstand eingebracht, damit der ihn in seinen Leitantrag für Cottbus aufnimmt. Das ist in allen wesentlichen Teilen auch gelungen.
Was sind das für Punkte?
Ein Schwerpunkt ist der Bildungsbereich. Da fordern wir mindestens 20 Milliarden Euro jährlich mehr, um dort wirklich eine Zukunftsperspektive zu bekommen. Der Gesundheitsbereich gehört ebenso dazu wie die Energiewende und der Klimaschutz sowie öffentlich geförderte Beschäftigung. In diesen Bereichen sollen zusätzlich etwa eine Million Arbeitsplätze geschaffen werden, die dann auch einen sehr hohen Selbstfinanzierungseffekt haben. Über 50 Prozent eines solchen Programms kommen durch zusätzliche Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen wieder herein.
Wie soll der Rest finanziert werden?
Indem wir Besserverdienende stärker belasten wollen, das heißt Wiedereinführung der Vermögenssteuer, eine andere Erbschaftssteuer, eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes in der Einkommenssteuer, eine verstärkte Konzernbesteuerung und eine Börsenumsatzsteuer. Über diese Finanzierungsform sind wir uns einig, in West und Ost.
Der öffentliche Eindruck ist aber, dass es eine radikal oppositionelle Linke West und eine pragmatische Linke Ost gibt.
Ich will da gar nicht zu sehr harmonisieren. Ich versuche, in der Debatte über das Zukunftsprogramm deutlich zu machen, dass es diesen Gegensatz nicht geben muss. Gerade auch im Osten. Ich bin ja über den Landesverband Sachsen in den Bundestag gewählt worden und möchte das auch gerne beim nächsten Mal wieder schaffen. Aber ich gebe zu, dass gegenwärtig noch viele in den neuen Ländern abgeschreckt worden sind von einem so großen Programm, obwohl es zu den gemeinsam vereinbarten Eckpunkten gehört, aber nicht verinnerlicht ist. Umgekehrt müssen wir im Westen lernen, dass man nicht auf einen Schlag alles haben kann, sondern in der Parlamentsarbeit zunächst auch kleine Alternativen erarbeiten muss. In der Bürgerschaftsfraktion in Bremen klappt das schon gut.
Würden Sie denn der These des „Forums demokratischer Sozialismus“ in der Linkspartei zustimmen, dass die Linke mehr sein müsse als eine anti-neoliberale Kraft?
Ich würde das lieber positiv umschreiben und sagen: Die Linke ist eine Kraft, die für Vollbeschäftigung, für soziale Sicherung und Gerechtigkeit sowie ökologische Nachhaltigkeit steht. Und dass wir diese Ziele mit konkreten Vorschlägen untermauern.
Wann stellt sich für Sie die Frage von rot-roten oder rot-rot-grünen Bündnissen in westlichen Bundesländern und im Bund?
Das ist keine Frage des Zeitpunkts, sondern der Inhalte. Wenn Bündnis schon heißt, dass man gemeinsam abstimmt, dann haben wir das ja bereits in Hessen mit der Abschaffung der Studiengebühren praktiziert. Insofern ist eine punktuelle Zusammenarbeit schon jetzt problemlos möglich. Ansonsten geht ein Bündnis nur, wenn sich die SPD so weit verändert, dass sie auf die zentralen Forderungen der Linken eingeht. Und das heißt beispielsweise: Hartz IV in dieser Form muss weg, keine völkerrechtswidrigen Kriegseinsätze, und die Rente mit 67 muss rückgängig gemacht werden.