Wie verbringen Arbeitslose die Ferien, Herr Behrsing?
Ferienzeit ist Urlaubszeit. Wohin fahren Menschen, die Hartz IV bekommen?
In der Regel begeben sie sich nach Balkonien, so sie denn einen Balkon haben. Die große Mehrheit muss zu Hause bleiben, weil der Regelsatz es nicht zulässt, dass sie sich einen Urlaub ansparen können.
Wieviel Urlaub steht ihnen überhaupt zu?
Grundsätzlich steht Erwerbslosen überhaupt kein Urlaub zu, sondern eine so genannte Ortsabwesenheit von 21 Werktagen im Jahr. Das kann man vielleicht mit Urlaub übersetzen, aber der hängt dann vom Ermessen des Sachbearbeiters ab.
Stimmt es, dass sich Hartz-IV-Bezieher Fragen gefallen lassen müssen, wohin und wie lange sie in Urlaub fahren, welche Kosten entstehen und wer diese begleicht?
Ja, das passiert - genau so, wie früher bei Sozialhilfeempfängern. Selbst in Konten wird eingesehen, um zu erfahren, wo die Gelder herkommen. Wenn etwa von Verwandten Bares für einen Urlaub geflossen ist, dann rechnet die Behörde das Geld auf das Einkommen an. So bleibt fast nichts mehr übrig. Die Leute müssen das Geld erst verbrauchen.
Kennen Sie solche Fälle?
Durchaus, wobei sie sich als rechtswidrig herausgestellt haben. Man versuchte einfach, die Praxis der Sozialhilfe zu übernehmen: Wer sich nicht in Deutschland aufhält, hat keinen Anspruch auf Leistungen. Bei Hartz IV wurde versucht, dieser Praxis zu folgen. Erst vergangenes Jahr mussten in Hamburg Erwerbslose in den so genannten Eingliederungsvereinbarungen unterschreiben, dass sie nicht ins Ausland fahren.
Ein Urlaubsgeld für Erwerbslose gibt es vermutlich nicht - oder?
Nein, das enthält angeblich schon der Regelsatz und muss nur angespart werden. Aber wie soll man etwas zurücklegen, wenn ein Kind im Monat nur 109 Euro bekommt? Gerade der Kinderregelsatz ist völlig unzureichend, schon weil er weder das Ernähungs-, noch das Freizeitverhalten berücksichtigt.
Früher forderte der Lehrer die Schüler nach den Ferien auf, von ihrem Urlaub zu erzählen. Gibt es das noch?
Wir wissen zumindest, dass sich Kinder aus ärmeren Familien an solchen Gesprächen nicht beteiligen. Sie verdrängen ihre Situation. Und wenn Kinder aus ärmeren Familien auf Freizeiten mitfahren und sich keine Pommes leisten können, behaupten sie lieber, dass die Butterbrote ihrer Mutter ohnehin besser schmecken.
Die Fragen stellte Dirk F. Schneider
Martin Behrsing ist Sprecher des Erwerbslosen Forums Deutschland.