Im Doppelpack
MINDESTLOHN & GRUNDEINKOMMEN - Plädoyer für ein Paket aus Mindestlohn und Grundeinkommen
Die große Koalition stolpert irgendwie in Richtung Mindestlohn, ohne je das Ziel zu erreichen. Für Empfänger des Arbeitslosengeldes II gibt es eventuell etwas mehr Geld, wird doch das tägliche Leben ständig teurer, aber erst wenn die Politik sich dies in aller Ruhe überlegt hat. Was die beiden Themen miteinander zu tun haben? Es geht jedes Mal um die Schwachen und Schwächsten.
Was haben sie noch miteinander zu tun? Die Hartz-IV-Gesetze sind eines der wirkungsvollsten Instrumente, um Dumping-Löhne durchzusetzen. Denn vor Hartz IV haben viele Angst: die Überwachung, das entwürdigende penible und peinliche Durchstöbern des Alltages, die letztlich kleinkarierten Hilfen, überreicht unter dem Generalverdacht, sie würden doch nur missbraucht werden. Da fliehen viele vorher in den nächst schlechtesten Job.
Und so wie diese beiden Probleme, so hängen auch die Instrumente zusammen, die sie lösen sollen: Mindestlohn und bedingungsloses Grundeinkommen. Letzteres gibt Menschen wenigstens die kleine Chance, hin und wieder Nein zu sagen. Und der Mindestlohn verhindert, dass wiederum das Grundeinkommen von den Unternehmen für eine erpresserisch-augenzwinkernde Lohnfindung missbraucht wird: Du erhältst sowieso 750 Euro Grundeinkommen, dann kannst Du bei mir doch für 3,50 Euro arbeiten.
Die Logik legt also die Idee nahe, dass ein politisches Paket aus Mindestlohn und Grundeinkommen ein ideales Fundament wäre, um den Schwächeren in dieser Republik wirksam zu helfen; egal ob als erwerbstätiger oder nicht-erwerbstätiger Bürger.
Spiegelt sich diese Logik auch in der politischen Landschaft wider? Für das eine Instrument, den Mindestlohn, kämpfen die Gewerkschaften. Für das andere Instrument tritt eine inzwischen zwar breite, aber zugleich ziemlich "buntscheckige Koalition" (Wissenschaftler Claus Offe) aus Bürgerinitiativen, Parteiflügeln und Kirchengruppen ein. Und: Ziehen diese beiden Kräfte an einem Strang? Bestenfalls tun sie dies nicht und ignorieren sich nur, meist bekämpfen sie sich mit Verve. Also viel schlechte Stimmung und ziemlich tiefe Gräben. Obwohl sich beide im Ziel einig sind, zerstreiten sie sich über die Instrumente. Ein unpolitischer Jammer. Vielen Verfechtern des Grundeinkommens ist die Bedeutung des Mindestlohnes für ihr eigenes Konzept nicht klar. Und sie schätzen die Fragen gering, welche Gewerkschaften wichtig sind: Ist das überhaupt finanzierbar? Wo bleibt der Leistungsgedanke, wenn jeder ohne etwas zu tun und Bedürftigkeit nachweisen zu müssen, ein Einkommen erhält. Viele Gewerkschafter sehen darin nicht etwa die emanzipatorische Neuerfindung des Sozialstaates, sondern ein trojanisches Pferd von Neoliberalen oder ein neugegründetes Reich für Faulenzer.
Könnten die beiden Kräfte so zusammen kommen? Das Konzept des Grundeinkommens wird maßgeschneidert: Es wird ohne Bedingungen ausbezahlt. Es wird jedoch mit der Erwerbs-Gesellschaft verflochten - und respektiert damit den Wert der Leistung. Und es wird bezahlbar, weil nur eine Minderheit das volle Grundeinkommen erhält. Das alles geht mit dem Muster der negativen Einkommenssteuer. Ein schrecklicher Begriff, eine gute Idee: Alle erwachsenen Bürger mit einem langjährigen Lebens-Mittelpunkt hier zu Lande erhalten beispielsweise ein Grundeinkommen von 750 Euro; für jedes Kind 250 Euro. Wer darüber hinaus verdient oder andere Einkünfte hat, der muss diese versteuern; nach dem von Ver.di und Attac ausgearbeiteten Modell der solidarischen Einfachsteuer. Die Steuerlast wird immer um die Summe des Grundeinkommens verringert. Erwerbstätige bis zu einem mittleren Einkommen werden dadurch spürbar entlastet. Aber: Je höher das Einkommen, desto stärker schmilzt der Anspruch der Einzelnen an den Staat ab. Also hat jeder in jeder Lebensphase verlässlich ein - wenn auch nicht sehr hohes - Einkommen; ohne schmähliche Prüfungen. Die Gesetze der Erwerbsgesellschaft bleiben in Kraft. Wer arbeitet, verdient mehr als jene, die "nur" von Grundeinkommen leben. Weitere Vorteile: Viel leichter als heute, könnten sich Arbeitnehmer kürzere Arbeitszeiten im Wortsinne leisten. Vor allem Frauen, die oft sehr wertvolle, aber sehr schlecht bezahlte Pflege- und Erziehungsarbeit leisten, würden so ein Stück Unabhängigkeit hinzu gewinnen; ein wichtiger Beitrag zur Geschlechter-Demokratie.
Vor drei Jahren war der Mindestlohn kein Thema. Heute ist er von der politischen Agenda nicht wegzudenken. Eine ähnliche Karriere legte das Grundeinkommen hin. Beide Konzepte berühren offensichtlich den Nerv der Zeit - würden sie sonst Politik und Menschen des Landes so anhaltend umtreiben? Mit diesem maßgeschneiderten Doppelpack könnte die Arbeitsgesellschaft wieder auf die Beine gestellt werden.