Macht, Preis und Profit
Das Leben wird immer teurer. Strom-, Wasser- und Gaspreise klettern in schwindelnde Höhen. An den Zapfsäulen kostet der Liter Benzin 1,60 Euro. Auch für Essen muss mehr bezahlt werden. Der Preisauftrieb schwächt den Konsum und somit auch die Konjunktur. Hitzig debattiert das Land über die Ursachen: Begrenzte Reserven und unzureichende Raffineriekapazitäten treiben den Ölpreis. Kaufkräftige Chinesen und Inder essen mehr Fleisch und trinken häufiger Milch. Ernteerträge fließen als Biosprit in den Tank. Spekulanten tun ein Übriges.
Ein wichtiger Preistreiber bleibt jedoch unterbelichtet: Die Marktmacht einzelner Unternehmen. Wo es wenig Wettbewerb gibt, setzen marktbeherrschende Firmen ihre Preisvorstellungen und Verteilungsansprüche durch. Die jüngste Teuerungswelle beruht nur zum Teil auf steigenden Rohstoff- und Energiepreisen, sie ist auch Ergebnis chronischen Marktversagens.
Auf dem Weltagrarmarkt befinden sich die Saatgut- und Mischfutterindustrie sowie die Agro-Chemie in den Händen weniger großer Firmen. Folglich sind die Preise für Pflanzenschutzmittel, Dünger und Saatgut höher als auf wettbewerbsintensiven Märkten. Die Gewinne der Agrarmultis ADM, Monsanto oder Cargills kletterten um mehr als 50 Prozent. Auch im Lebensmittelhandel mangelt es an Wettbewerb. Die fünf größten Unternehmensgruppen beherrschen 90 Prozent des heimischen Marktes. Dies führt zu einer großen Einkaufsmacht. Dennoch ist die Niedrigpreisstrategie von Lidl, Edeka, Aldi & Co mehr Schein als Sein. Laut EU-Kommission reichten die führenden Lebensmittelhändler die steigenden Agrarrohstoffpreise mit saftigem Gewinnaufschlag an ihre Kunden weiter.
Bei Strom und Gas bezahlen die Kunden die Extraprofite eines Stromkartells. Vier große Energieversorger stellen heute 82 Prozent der Erzeugungskapazitäten. Diese Marktmacht zahlt sich aus: Die Strompreise für Industriekunden stiegen seit 2000 zwischen 58 und 77 Prozent. Die privaten Haushalte mussten rund 50 Prozent mehr bezahlen. Folglich summierte sich der operative Gewinn von E.on, RWE, Vattenfall und EnBW in den letzten sieben Jahren auf insgesamt 90 Milliarden Euro. Dieses Jahr geht die Preis- und Gewinnrallye munter weiter.
Mineralölkonzerne sind ebenfalls eine wettbewerbsscheue Spezies. Rohölförderung, Verarbeitung und Vertrieb liegen zumeist in einer Hand. Drei Viertel des Tankstellennetzes werden hierzulande von fünf Anbietern kontrolliert. Kein Wunder, dass sich dieses Jahr in den Geldspeichern der zehn größten Ölmultis rund 150 Milliarden US-Dollar stapeln werden. Die Politik hat vor dieser Marktmacht längst kapituliert. Kartellamt und Regulierungsbehörden finden kein Mittel gegen die dreiste Preispolitik der privaten Oligopolisten.
Es kommt aber noch bunter: Da gegen die preistreibende Marktmacht scheinbar kein Kraut gewachsen ist, sollen jetzt die Gewerkschaften maßhalten. Sonst drohe eine Lohn-Preis-Spirale. Völlig wirklichkeitsfremd ist das nicht: Auf wettbewerbsarmen Märkten können die Firmen tatsächlich steigende Arbeitskosten auf die Preise überwälzen.
Doch Bescheidenheit ist hier völlig fehl am Platz. Die Oligopolisten erhöhen ihre Preise auch ohne Lohnzuwächse. Steigende Löhne lassen lediglich Luft aus den fetten Gewinnpolstern. Die Extraprofite beginnen zu schmelzen. Wer aber die Inflation politisch bekämpfen will, der sollte endlich für mehr Wettbewerb sorgen.