Hamburg: Katastrophenszenario im Dienste des Systemswechsels
Seit Jahren wird in der veröffentlichen Meinung versucht die knappen Haushaltsmittel von Bund, Länder und Kommunen mit übermäßig stark gestiegenen Ausgaben zu erklären. In Hamburg haben wir die Situation, dass trotz sprudelnder Steuereinnahmen wir vor einem riesigen Haushaltsloch stehen. Die SPD fragt sogar ob die Hansestadt pleite ist.
Vor der Wahl war immer von Herrn Freytag zu hören, dass es einen ausgeglichenen Haushalt gibt, der zudem ständig weiter konsolidiert werden sollte. Jetzt ist die Rede davon, dass über 3 Mrd. Euro fehlen. Fehlen?
Solche Beträge können nicht einfach verschwinden – nicht einmal in tiefen schwarzen Löchern!
Abenteuerliche Vorschläge
Die abenteuerlichsten Vorschläge kommen jetzt auf den Tisch. Nach Public-Private- Partnership-Projekten (PPP) wird gegriffen. Die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen hat für die CDU Methode; das ist der Systemwechsel, an dem sie zielstrebig arbeitet. Und die GAL macht alles mit!
Entscheidend dabei ist: die öffentliche Verantwortung für gesamtgesellschaftliche Aufgaben wird auch auf dem Gebiet der Gebäudeverwaltung aufgegeben, die stattdessen der Geschäftemacherei anheim gestellt werden soll.
So exemplarisch vorgeführt am Beispiel der Universität. Dafür hat die schwarz-grüne Koalition gleich zwei Ideen: Die erste ist der Verkauf von Gebäuden und Grundstücken und die zweite ist, dass die notwendigen Neubauten von privaten Investoren errichtet werden und die Freie und Hansestadt Hamburg die Räume anmietet.
Damit jeder einsieht, dass das der beste Ausweg aus der Finanzknappheit ist, wurde ein Trommelfeuer eröffnet mit dem Motto „Die Uni ist marode“. Da das vielleicht nicht ausreicht wurde das Trauerspiel gleich auf die Schulen erweitert.
Seit 2002 sind in die Universität Hamburg fast 153 Mio Euro investiert worden. Wie zu erfahren war, wurden diese Maßnahmen aufgrund der Beschlüsse des rot-grünen Senats ausgeführt.
Die CDU hat seit 7 Jahren die politische Verantwortung in dieser Stadt und plötzlich laufen ihre Politiker über den Campus – begleitet von der Presse und GAL-Politikerinnen und sind schier entsetzt über den „maroden“ Zustand der Uni.
Sie stellen sich allerdings auch nur vor Gebäude, die schon seit Jahren für einen Abriss vorgesehen sind und nicht vor die Erziehungswissenschaft, den Philturm oder die Rechtswissenschaften, die gerade erst mit 44.240.730 ¤ renoviert wurden.
Eine neue Uni soll her! Wissenschaftssenatorin Gundelach am 5.6.08 im Hamburger Abendblatt über den bisherigen Campus mitten in Eimsbüttel: “Das ist ein wild gewachsenes Sammelsurium von Gebäuden.“
Es geht ums Geld
Politisch blind ist sie dabei für die durchdachte Konzeption des Campus, die hohe Konzentration unterschiedlicher Fachdisziplinen mitten in der Stadt, die auf die soziale Offenheit der Hochschulen gerichtete intensive Nutzung der Bauflächen, die gezielt geschaffenen Begegnungs- und Erholungsmöglichkeiten, die besondere Architektur des Phil-Turms und des Audimax.
Dass alles soll nach dem favorisierten Modell der Wissenschaftssenatorin verschwinden und stattdessen eine neue Uni auf dem Kleinen Grasbrook entstehen. Dafür wird das Argument der beabsichtigten Zentralisierung vorgeschützt. Dabei sind die Mensen, die Staatsbibliothek und die Wohnheime wahrscheinlich noch nicht einmal berücksichtigt.
Wie gut kennen die Verantwortlichen von Schwarz/Grün eigentlich die Hamburger Uni? Weder die Botanik in Klein Flottbek lässt sich entwurzeln und verlegen, noch das riesige DESY in Bahrenfeld könnte einfach im Hafen neu gebaut werden. Auch die Sternwarte ist fest in Bergedorf gebunden und das gerade für 80 Millionen Euro in Bau befindliche Klimarechenzentrum sollte wohl kaum gleich wieder abgerissen werden. Experten gehen davon aus, dass ein Drittel der Uni-Gebäude gar nicht zu verlegen ist. Ein Neubau im Hafen bedeutet für die beteiligten WissenschaftlerInnen und Studierende nur noch weitere Wege. Der Verdacht liegt nahe: es geht nicht nur um die Uni – es geht ums Geld!
In einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt verriet Frau Gundelach, dass die Idee zur kompletten Verlagerung der Uni nicht neu ist – nur im Koalitionsvertrag ist davon mit keinem Wort die Rede. Und sie führte aus, dass es schätzungsweise mehr als 1 Mrd. ¤ kosten wird und wörtlich: “Da es die Hochschulbauförderung des Bundes nicht mehr gibt, brauchen wir neben dem Erlös der Grundstücksverkäufe auch private Investoren.“ Der Quadratmeterpreis am Rothenbaum liegt bei 3.000 ¤; den Unisportplatz haben Inverstoren schon lange im Visier. An anderer Stelle wird sie konkreter und spricht vom Verkauf der wertvollen Gebäude des jetzigen City-Campus und dass es durchaus denkbar sei, dass die Uni die neuen Gebäude nur miete.
Kritik an dem Sell-and-Lease-Back-Modell wischt Frau Gundelach mit dem Hinweis auf die Eigenverantwortung der Inneneinrichtung der Räume weg. Die Höhe der Miete bestimmt aber im Zweifelsfall immer noch der Vermieter. Wieviel Miete will und kann die Stadt denn überhaupt zahlen – ca. 300.000 m² nahe der Hafencity?
Ablenkungsmanöver
Letztendlich handelt es sich bei diesem Katastrophenszenario aber um ein willkommenes Ablenkungsmanöver. Es soll abgelenkt werden von dem hochschulpolitischen Fehlkurs der vorigen Senators Dräger. Die Herausforderung für die Universität Hamburg lassen sich nicht in erster Linie an dem Gebäudezustand festmachen – damit haben alle Universitätsstädte zu tun – entscheidend ist die Frage der Qualität von Forschung und Lehre und deren Bedingungen. Da gibt es in der Tat einiges zu verbessern; die finanzielle Ausstattung ist nicht ausreichend; Drittmittel bekommen eine immer größere Bedeutung. Die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre ist genauso gefährdet wie die demokratische Mitbestimmung. Von den Bachelor-Studiengängen haben nur durchschnittlich 60% der Absolventen die Chance einen Master-Studienplatz zu erhalten.
Es soll abgelenkt werden von der Aufrechterhaltung der Studiengebühren unter dem Label „nachgelagert“. Obwohl die Gebühren mehrheitlich abgelehnt werden und erkennbar nur Schaden anrichten, sollen weiterhin tausende Studierende jedes Semester zu Kasse gebeten werden, darunter sogar solche, die bislang vom Bezahlstudium befreit waren. Auch wenn die GAL es gern anders darstellt: Studiengebühren bleiben Studiengebühren!
Es soll abgelenkt werden von den eigenen baupolitischen Versäumnissen und Fehlern. Es ist nach wie vor unfassbar, dass der Erwerb des Fernmeldegebäudes in der Schlüterstraße trotz tatkräftiger Unterstützung aus dem Bezirk, fahrlässig verspielt wurde.
Abgelenkt werden soll von der Konzeptlosigkeit der Hochschulpolitik des Hamburger Senats. Eine Verlagerung der Universität hätte auch zur Folge, dass sich die Stadtteile Rotherbaum und Eimsbüttel tiefgreifend verändern.
Und zu guter Letzt muss die Frage gestellt werden, ob es politisch und von der Bevölkerung gewollt ist, dass die Geschichte der Universität Hamburg mit einem Schlag zerstört wird. Mit ihren Gebäuden und der Verankerung im Stadtleben hat die Universität Hamburg geprägt, Soll das Audimax ein Kino, der Philturm ein Hotel und die Rechtswissenschaft die Wohnungen für die Reichen und Schönen werden?
Schrumpfende Steuereinnahmen und ihre Folgen
Der von der CDU verursachte Investitionsstau muss sofort beendet werden. Der Senat kann sich nicht zugunsten eines kurzfristigen finanziellen Spielraums aus der Verantwortung stehlen. Nur ausreichend Mittel für die öffentliche Hand garantiert einen ausreichenden Spielraum für eine kontinuierliche Instandhaltung und Verbesserung der Raumsituation in den öffentlichen Gebäuden. Für die Universität liegen fertige Pläne für eine sinnvolle Entwicklung in den Schubladen ihrer Verwaltung. Sie sind verbunden mit einer demokratischen, sozial offenen und inhaltlich verantwortunsgvollen Wissenschaft.
Die öffentliche Verschuldung stieg nicht wegen explodierender Ausgaben, sondern wegen schrumpfender Steuereinnahmen. Sie sanken seit 2001 relativ zur Wirtschaftsleistung um über 3 %. Das entspricht für die Bundesrepublik einem Betrag von ca. 70 Mrd. ¤ jährlich. Der Sozialstaat wurde abgebaut, um die Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche finanzieren zu können. In der Folge wurde auch Hamburg zur gespaltenen Stadt. Es traf aber nicht nur Personengruppen sondern auch Institutionen. Jetzt trifft es die Universität – das dürfen die HamburgerInnen nicht zulassen.