Schöne Unwahrheiten
18.08.2008 / Von Jörg Staude, Neues Deutschland
Es sollte vermutlich eine gute Nachricht sein: Die Arbeitslosenzahl in Deutschland werde auch im – kommenden – Abschwung nicht wieder über fünf Millionen steigen, verkündeten Arbeitsmarkt- und Konjunkturexperten. Eine schön verpackte Unwahrheit: Denn auch im – vergangenen – Aufschwung lag die reale Erwerbslosigkeit immer zwischen fünf und sechs Millionen, rechnet man die temporären Ein-Euro-Jobber, die in Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen Versteckten oder all diejenigen hinzu, die als »stille Reserve« fast gar keine Hoffnung mehr auf Arbeit haben.
Die Schönfärberei geht noch weiter: Auch wenn die offizielle Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren sank, hieß das nicht, dass die wieder Beschäftigten von ihrer Arbeit leben konnten. Etwa die Hälfte der im Aufschwung entstandenen neuen Stellen ist prekäre Beschäftigung: Mini- oder Midijobs, befristete oder Leiharbeit. Das Ergebnis: Weniger offizielle Arbeitslose, aber mehr Aufstocker, die weniger »verdienten«, als ihr Hartz-IV-Satz beträgt, mehr Menschen, die nur mit zwei oder drei Jobs über die Runden kommen – in einem Wort: mehr »working poor«, mehr arbeitende Arme. Die Agenda 2010 tat ihre bekannte Wirkung. Zu dieser gehörte auch, Ältere – sofern sie nicht Minister oder Vorstandschefs sind – endgültig an dem Rand des Arbeitsmarktes zu drängen. Obwohl – wie dieselben Experten stets betonen – die demografischen Prozesse angeblich die Rente mit 67 erforderten und man am besten direkt vor dem Rentenantrag ins Grab steigt. Die unschöne Wahrheit ist: Als Messlatte, wie es um den Arbeitsmarkt bestellt ist, hat die Arbeitslosenzahl ausgedient.