Demagogie pur: Neue Studie zum Mindestlohn der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft
Nach einer aktuell durch die Presse gehenden Studie, die von der arbeitgeberfinanzierten "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) beim ifo-Institut in Auftrag gegeben wurde, würde der Preis für einen Fernseher in Deutschland um bis zu 15 Prozent steigen, wenn er unter Einhaltung eines Mindestlohns von 7,50 Euro produziert würde. Bei einer in Deutschland mit Mindestlohn hergestellte Waschmaschine wären es sogar bis zu 30 Prozent. Dann würden 55 Prozent der im Anschluss von dem Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid Befragten auf den Kauf eines Fernsehers oder einer Waschmaschine aus einheimischer Produktion verzichten. Norbert Reuter, Volkswirt bei ver.di, hat die Studie unter die Lupe genommen. Sein Fazit: Wieder entpuppt sich eine Studie, die angeblich die Schädlichkeit von Mindestlöhnen "beweist" als weitgehende Luftnummer.
Sieht man sich die Studie des ifo-Instituts jedoch
an, wird einmal mehr deutlich, wie Fakten von interessierte Seite
verdreht werden, und vor allem wie widerspruchslos sich seriöse
Forschungsinstitute vor einen ideologischen Karren spannen lassen. Denn
es wurde in Wirklichkeit gar nicht berechnet, wie die Kosten eines
Fernsehgeräts oder einer Waschmaschine durch die Einführung eines
Mindestlohn von 7,50 Euro in Deutschland steigen
würde, sondern unterstellt wurde die Einführung eines
weltweiten Mindestlohns von 7,50 Euro.
Zunächst war den Gutachtern offensichtlich
aufgefallen, dass es im Bereich der Elektroindustrie gar keine Löhne
unter 7,50 Euro gibt:
"Eigene Recherchen sowie eine Zusammenarbeit mit Dr. Tetzlaff von der
Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. ergaben, dass im Bereich
der Elektroindustrie, dessen Mitarbeiter überwiegend den mit der
IG-Metall abgeschlossenen Tarifverträgen unterliegen, die untersten
Tarifklassen über der Marke von 7,50 ¤ rangieren, so dass hiernach von
einem Mindestlohn in dieser Höhe keine direkten Auswirkungen auf
Kosten und Preise in Deutschland zu erwarten sind" (S. 2 der
Studie).
Was tun, denn der Auftraggeber wollte zweifellos dokumentiert haben, dass der Mindestlohn negative Folgen haben würde? Man nimmt einfach an, dass auch Vorprodukte aus Billiglohnländern zu Mindestlohnbedingungen produziert werden müssen: "Im Falle der Konsumgüterindustrie wird hierbei unterstellt, dass sowohl in Deutschland als auch in den Ländern, aus denen Vor- und Zwischenprodukte bezogen werden, generell ein Mindestlohn von 7,50 ¤ pro Stunde vorherrschen würde bzw. dass die bisher aus dem Ausland bezogenen Teile in Deutschland zu einem Mindestlohn von 7,50 ¤ pro Stunde hergestellt werden" (S. 4 der Studie).
Insofern werden in der Studie also gar nicht die Folgen der Einführung eines Mindestlohns in Deutschland beschrieben, sondern es wird gleichzeitig unterstellt, dass weltweit unter Mindestlohnbedingungen produziert wird. Damit aber nicht genug:
- Der Studie liegen eigenen Angaben zufolge nur Schätzungen über den Lohnanteil von Vorprodukten aus dem Ausland vor; in welchem Ausmaß dieser Lohnanteil sich im Ausland aus Stundenlöhnen von unter 7,50 Euro zusammensetzt, dürfte dann gänzlich spekulativ sein.
- Preiserhöhung sind "rein rechnerisch", d.h. es wird einfach unterstellt, dass höhere Kosten voll auf die Preise durchschlagen. Sollte das nicht möglich sein, würden die Preise also weniger bis gar nicht steigen. Untersuchungen über die Einführung des Mindestlohns z.B. in England zeigen, dass dort die Preise kaum gestiegen sind, die höhere Kostenbelastung also vor allem zu Lasten der Gewinne bzw. von Extraprofiten gegangen ist.
- Schließlich wird auch noch ein "Kaminzug-Effekt" unterstellt, d.h. also eine Verschiebung der gesamten Lohnstruktur nach oben. Auch wenn dies ein auch von den Gewerkschaften gewünschter Effekt ist, müsste dieser unter den gegenwärtigen Bedingungen Branche für Branche, Tarifvertrag für Tarifvertrag durchgesetzt werden. Annahmen, die hier offensichtlich gemacht wurden, können daher nur völlig willkürlich sein.
Das alles steht natürlich in keiner Pressemeldung, würde es doch sofort deutlich machen, welche absurden Annahmen und Spekulationen der neuen Anti-Mindestlohn-Studie zugrundeliegen.
Im Hotel- und Gaststättengewerbe kommt die Studie als Folge der Einführung eines Mindestlohn von 7,50 Euro auf eine Preissteigerung von rund 15 Prozent, bei "großen Friseurketten" rechnerisch um bis zu 40 Prozent, bei Champignons um 15 Prozent und bei Erdbeeren um 50 Prozent. Allerdings werden diese Ergebnisse in der Studie selbst angezweifelt: "Inwieweit sich die dadurch ausgelöste Preissteigerung am Markt durchsetzen kann, ist eine andere Frage" (S. 3). Mit anderen Worten: Wenn es wie in England zu Lasten der Gewinne geht, dann kann es auch sein, dass nur geringe oder gar keine Preissteigerungen eintreten.
Die Qualität der Studie wird auch dadurch deutlich, dass gerade einmal 16 Fallstudien durchgeführt wurden: Sechs Industrieunternehmen, vier Unternehmen aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe, vier aus dem Friseurgewerbe und zwei Unternehmen aus dem landwirtschaftlichen Bereich.
Schon selbstverständlich ist, dass mit keinem Wort erwähnt wird, dass durch den Mindestlohn natürlich der Konsum enorm gestärkt würde. Rund 5,5 Millionen Beschäftigte, die zur Zeit weniger als 7,50 Euro brutto pro Stunde verdienen, würden höhere Einkommen erhalten. Viele könnten sich dann vielleicht erstmals überhaupt einen Friseurbesuch leisten.
Fazit: Wieder entpuppt sich eine Studie, die angeblich die Schädlichkeit von Mindestlöhnen "beweist" als weitgehende Luftnummer.
PS: Ein Gutes hat die Studie dennoch. Es wurde nämlich auch gefragt, ob man für oder gegen den Mindestlohn ist. Das Ergebnis: 73 Prozent, also die weit überwiegende Mehrheit der 1013 Befragten ist für einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 ¤ pro Arbeitsstunde. Nur 19 % der Befragten sind dagegen, 7 % hatten keine feste Meinung.