Standpunkt: Sozialer Rassismus
Es mag Zufall sein, wenn parallel zur neuerlich in den Boulevardmedien lostgetretenen Kampagne gegen vermeintliche Sozialmissbräuchler ein Chemnitzer Professor zur Erkenntnis kommt, geltende Hartz-IV-Regelsätze seien deutlich überhöht. In Intervallen soll ohnehin der Öffentlichkeit weisgemacht werden, dass Heerscharen unredlicher Leistungsbezieher der Allgemeinheit auf der Tasche liegen und dem Sozialstaat letztlich den Garaus machen. Getoppt wird der nicht zu belegende Schwachsinn durch den umtriebigen Akademiker. Mit öffentlichen Geldern finanziert, will er den Nachweis antreten, bei entsprechender Lebensführung könne man in hiesigen Breiten mit 132 Euro plus Wohn- und Energiekosten pro Nase und Monat ein auskömmliches Dasein fristen.
Fast könnte man Prof. Thießen dankbar sein. Er treibt die Logik der
rot-grünen Agenda 2010 auf die Spitze und legt den asozialen Kern
ungeschönt offen. Eine solche Demaskierung war indes nicht sein Motiv.
Akademisch verbrämt, liefern seine Auslassungen vielmehr eine
Begründung für einen neuen, sozialen Rassismus, mit dem Bedürftige
gedanklich aus der Gesellschaft herausgedrängt werden können. Als
nächstes könnte nämlich jemand auf den Gedanken der kasernierten
Unterbringung und Verköstigung der Bezieher von Arbeitslosengeld II
verfallen – freilich auch nur vom Bemühen weiterer Kostensenkung
getrieben.