Axel Troost, Erpresserischer Gesellschaftsraub
Die Menschen sind zu Recht hin und hergerissen. Einerseits haben sie Angst, dass eine breite Bankenkrise ihr Erspartes und auf dem Umweg über die Realwirtschaft auch ihre Arbeitsplätze bedroht. Von daher erwarten sie ein entschlossenes Handeln der Politik gegen die Bankenkrise.
Andererseits sind sie aber zutiefst erbost über die Dreistigkeit und scheinbare Selbstverständlichkeit, mit der die Banken der Politik bzw. den SteuerzahlerInnen den schwarzen Peter zuschieben. So im Sinne von: "Wir haben es zwar im Wesentlichen ausgefressen, aber wenn ihr nicht die Zeche zahlt, geht ihr mit uns unter."
Ihres Erpressungspotentials sind sich die Banker nur allzu bewusst. Das Finanzsystem ist das vielleicht zentralste Element einer modernen Wirtschaft. Von daher ist es richtig, dass ein zusammenbrechendes Finanzsystem zu einer Bombe für die ganze Ökonomie wird. Aber: Banker sind keine Selbstmord-Attentäter, sie wollen die Krise überleben.
Von daher hat die Bundesregierung völlig unnötigerweise mit ihrem Rettungspaket vor den Banken kapituliert. Das mindeste eines Finanzmarktstabilisierungsgesetzes wäre eine Präambel, in dem der Gesetzgeber Rache schwört: „Wir leisten euch jetzt Erste Hilfe, weil Euer Überleben auch unser Überleben ist, aber nach Entlassung aus dem Krankenhaus holen wir holen uns jeden Cent davon zurück, sobald Ihr wieder Geld verdient.“
Dieser Meinung sind im Übrigen nicht nur die Mehrheit der Mensch in diesem Land, sondern auch bemerkenswert viele der Parlamentarier. Wie in einer gemeinsamen Beratung von Haushalts- und Finanzausschuss deutlich wurde, stellen auch Koalitionsabgeordnete ihrer Regierung die bohrende Frage, warum sich der Rettungsfonds eventuelle Verluste nicht in ein paar Jahren bei den Banken in Form einer Sonderabgabe zurückholen soll. Zumindest eine Absichtserklärung in diesem Sinne solle das Gesetz enthalten. Auch Bundesbankpräsident Axel Weber hielt das durchaus für einen gangbaren Ansatz. Der lapidare Kommentar des Finanzministeriums: „Wir haben das kurz besprochen, dann aber grundsätzlich verworfen.“
Der Finanzausschuss hat in seiner Beschlussempfehlung am Mittwochabend explizit auf Veränderungen in diesem Sinne gedrungen und die „Aufforderung an die Bundesregierung (gerichtet), einen Weg zu suchen, um mögliche Verluste aus Rettungsmaßnahmen auf die gesamte Finanzbranche oder auf die Institute zu verteilen, die Leistungen des Fonds in Anspruch genommen haben.“
Am Schluss knickten die Abgeordneten der großen Koalition dann doch wieder vor dem Druck des Bundesfinanzministers ein und ließen sämtliche weitergehenden Forderungen unter den Tisch fallen. Damit sind wir so weit wie vorher: Die Bundesregierung bekommt den gewünschten Blankoscheck über 500 Mrd. Euro und die Privatbankiers lachen sich ins Fäustchen. Auf die angeblich so schmerzlichen Bedingungen, die die Bundesregierung den in Not geratenen Banken angedroht hatte, hat das Parlament jedenfalls keinerlei Einfluss mehr und man darf gespannt sein, ob sie überhaupt jemandem wehtun werden.
Alles in Allem stehen wir am Ende einer Woche, in der die Demokratie in diesem Land erneut an Boden verloren hat: Die Banken haben sich einmal mehr durchgesetzt, die öffentlichen Kassen wurden einmal mehr geplündert.
Vielleicht muss man aber das Bild der Erpressung noch etwas verfeinern: das Gemeinwesen wurde von den Banken als Geisel genommen und erfolgreich erpresst. Aber die Bundesregierung, allen voran der Bundesfinanzminister, war keineswegs wehrlose Geisel, sondern willfähriger Komplize.