Mindestlohn: Die Irrtümer des Anton F. Börner
Jörg Wiedemuth, Leiter der Tarifpolitischen Grundsatzabteilung beim ver.di-Bundesvorstand, hat sich mit den Äußerungen des Präsidenten des Bundesverbandes des Groß- und Außenhandels, Anton F. Börner, auseinandergesetzt. Börner hatte am 16. Oktober erklärt: „Die Mindestlohngesetze sind ein frontaler Angriff auf die Tarifautonomie und damit auf die mittelständische Wirtschaft.“
Jörg Wiedemuth schreibt:
„Deutschland ist ein freies Land. Hier kann jedermann – auch der Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels seinen Irrtümern, gehüllt in den Mantel der freien Meinungsäußerung, freien Lauf lassen.
Allerdings sollte man den deutschen Mittelstand vor den Interessenvertretern, die gegen ihre eigenen Interessen predigen, in Schutz nehmen.
Die Mindestlohngesetze sind kein frontaler Angriff auf die Tarifautonomie und damit auf die mittelständische Wirtschaft. Zwar wußten wir noch nicht, dass die mittelständische Wirtschaft der Hort der Tarifautonomie ist, aber wir unterstellen mal, dies sei so. Dann müßte die mittelständische Wirtschaft jedes Interesse daran haben, dass nicht durch Dumpinglöhne ihre Wettbewerbsposition beschädigt wird. Die Mindestlohngesetze zielen ja gerade darauf ab, dass die Tarifautonomie, die durch Tarifunterbietung und Armutslöhne ausgehöhlt wird, wieder funktionieren kann.
Um die Lage der deutschen Arbeitnehmer muss Herr Börner sich keine Sorgen machen. Deren Lage - jedenfalls derer, die im Niedriglohnsektor arbeiten müssen, wird durch einen Mindestlohn verbessert. Das steht fest und ist durch zahlreiche Untersuchungen belegt.
Als Präsident der Groß- und Außenhandelsverbandes mit seiner überwiegend mittelständischen Struktur sollte Herr Börner übrigens wissen, dass gerade die Mittelständler in den Tarifkommissionen einen erheblichen Einfluß haben und es in der Realität dazu kommt, dass sich die Großunternehmen immer hinter den Kleineren und Mittelständlern verstecken, um niedrigere Abschlüsse zu bekommen. Tarifabschlüsse zwischen den großen Gewerkschaften und Großunternehmen würden ganz anders aussehen.
Es ist auch ein Irrtum , den Lesern glauben machen zu wollen, Tarifverträge, nur weil sie mit kleineren Gewerkschaften ausgehandelt seien, sollten für nichtig erklärt werden.
Es geht vielmehr darum, Tariflöhne, die von durch Arbeitgebern gekauften oder ihnen willfährig ergebenen Organisationen, die sich Gewerkschaften nennen vereinbart wurden, vom Markt zu nehmen. Schadhafte und fehlerhafte Produkte, die die soziale Gesundheit des Gemeinwesens bedrohen, müssen vom Markt genommen werden. Darum geht es.
Vielleicht sollte Herr Börner seinen Einfluss als Arbeitgebervertreter dazu nutzen auf seine Kollegen, die die Tarifautonomie mit Füssen treten, Tarifverträge auf den Scheiterhaufen legen wollten, aus den Verbänden austreten, um niedrigere Löhne zahlen zu können, an die tarifpolitischen Spielregeln erinnern. Dies wäre hilfreicher, als seine Polemik.
Die CDU Landtagsfraktion des Landtages in NRW hat eine Positionsbestimmung zur Tarifautonomie beschlossen. Unter anderen bekennt sich die Landtagsfraktion zu starken, von Arbeitgeber unabhängigen Gewerkschaften. Organisationen, die sich Gewerkschaften nennen und ihre Hauptaufgabe darin sehen, von Gewerkschaften ausgehandelte Löhne und Gehälter zu unterbieten, gehören sicherlich nicht dazu.
Erst der Lohnunterbietungswettlauf nach unten und die Beteiligung der Unternehmen daran, hat die Verhältnisse in Deutschland so weit gebracht, dass wir über Mindestlöhne zur Existenzsicherung reden müssen.“
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Auf der Seite initiative-mindestlohn.de gibt es Informationen rund um den Mindestlohn. Der Mindestlohnblick über die Grenzen zeigt, es gibt keinen eindeutigen Beleg dafür, dass der Mindestlohn zu weniger Arbeitsplätzen führt. Hier haben die Spitzenleute der Bundesregierung eindeutig noch Beratungsbedarf. Im Weblog (Internettagebuch) www.hungerloehner.de berichtet Matthias, 48, wie es sich zu dritt lebt mit einem monatlichen Nettoeinkommen von knapp 2.000 Euro.