Schutzschirm für Arbeit
Der Chefökonom des DGB publizierte u. a. über »Einkommensreichtum und seine Ursachen«.
Der staatliche Rettungseinsatz stockt. Angela Merkel und Peer Steinbrück haben einen 480 Milliarden Euro schweren Schutzschirm aufgespannt. Doch die Manager der privaten Großbanken bleiben lieber im Regen stehen. Das staatliche Hilfsangebot hat einen zentralen Webfehler. Es beruht auf Freiwilligkeit. Garantien und Teilverstaatlichung gibt es nur auf Antrag. Und so warten Ackermann & Co bis Ihnen das Wasser bis zum Hals steht. Währenddessen drosseln sie die Kreditversorgung. So verschärft die Finanzmarktkrise den Abschwung.
Die Zeche bezahlen am Ende die abhängig Beschäftigten. Damit muss jetzt Schluss sein. Ein demokratischer Rechtsstaat darf sich nicht von verantwortungslosen Bankern auf der Nase herumtanzen lassen. Deswegen sollten wir jetzt dem britischen und US-amerikanischen Beispiel folgen: Banken, die eine kritische Eigenkapitalquote unterschreiten, werden vom Steuerzahler übernommen.
Darüber hinaus braucht es einen Schutzschirm für Arbeit. Wenn Unternehmen Investitionspläne kürzen und Verbraucher jeden Euro fünfmal umdrehen, muss der Staat gegensteuern. Mit einem mindestens 25 Milliarden Euro schweren Konjunktur- und Wachstumsprogramm kann der Abschwung verkürzt werden. Das Geld sollte bevorzugt in öffentliche Bildungs- und Klimaschutzinvestitionen fließen. So lässt sich das gesellschaftspolitisch Notwendige mit dem ökonomisch Sinnvollen verbinden.
Darüber hinaus sollten sowohl die Hartz-IV-Sätze als auch das steuerfreie Existenzminimum angehoben werden. Die jetzt in Aussicht gestellte Erhöhung des Arbeitslosengeldes II um 7 Euro reicht keineswegs. Es bedarf dringend nachhaltiger Konsumanreize für niedrige und mittlere Einkommensempfänger. Eine weitere wichtige Konjunkturspritze wäre ein hoher Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie. Die von der IG Metall geforderten 8 Prozent entsprechen immerhin einem Volumen von 14,4 Milliarden Euro.
Dieser Mix aus der Bankennothilfe, einem Konjunkturprogramm und höheren Löhnen kann die drohende Abwärtsspirale verhindern. Wobei das europäische Konzert stets nationalen Alleingängen vorzuziehen ist. Aber auch die europäischen Währungswächter sind jetzt am Zug. Sie müssen mit niedrigen Zinsen für Entlastung sorgen. Soweit so gut.
Doch nach der Krise ist vor der Krise. Banker, Broker und Vermögensverwalter dürfen nie wieder in die Lage versetzt werden, die Jobs und den Lebensabend von Millionen hart arbeitender Menschen zu gefährden. Spekulationsblasen gehören zwar zur Anatomie des modernen Kapitalismus. Ihre Häufigkeit und Größe hängen aber vom staatlichen Ordnungsrahmen der Finanzmärkte ab. Und der Zufluss in die Spekulation speist sich vor allem aus der Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums: So geht das 140 Billionen US-Dollar schwere weltweite Finanzvermögen auch auf sinkende Steuern für Reiche, die Privatisierung sozialer Sicherung sowie eine chronische Lohnschwäche zurück.
Deutschland bildet hier keine Ausnahme. Im Gegenteil: Die Gewinn- und Vermögenseinkommen stiegen hierzulande zwischen 2000 und 2007 fast siebenmal so stark wie Löhne und Gehälter. Diese massive Umverteilung erhöhte die Einsätze im globalen Casino. Allein die Porsche AG realisierte im letzten Jahr 3,6 Milliarden Euro an Spekulationsgewinnen. Diese Entwicklung macht klar, wohin die Reise gehen muss. Nur durch eine andere Verteilungspolitik und eine offensive Tarifpolitik kann der Zufluss in die Spekulation gestoppt werden. Es ist Zeit für eine neue Ordnung auf den Finanzmärkten: Eine Ordnung, welche die Prävention, die Haftung, die demokratische Kontrolle und die langfristige Orientierung zum Wohle der realen Wirtschaft stärkt.