Jenseits des Dollar?
Vor dem Weltfinanzgipfel: Neue Allianzen zwischen Schwellenländern fordern die Hegemonie der traditionellen imperialistischen Blöcke heraus
Immer mehr Länder rufen wegen der Finanzkrise um internationale Hilfe: Island, die Ukraine, Serbien, Belarus, die Türkei, Polen, Rumänien, Kroatien, Lettland, Estland und Litauen – allein in Europa. Bislang ist erst die Spitze des Eisbergs erkennbar, und es wird ein Dominoeffekt wie bei den Banken befürchtet. Ob die 200 Milliarden Dollar, die dem Internationalen Währungsfonds (IWF) als »Krisenfeuerwehr« zur Verfügung stehen, ausreichen, um alle Länder vor der Pleite zu schützen ist bislang keineswegs klar. Aber weder die USA noch die EU-Länder, die bereits Hunderte Milliarden Dollar in nationale Hilfspakete zur Rettung ihrer Banken gesteckt haben, haben jetzt Geld für den IWF übrig. In dieser Situation kam der britische Regierungschef Gordon Brown (Labour) auf die geniale Idee, Länder mit großen Devisenreserven wie China und die arabischen Golfstaaten dazu aufzufordern, dem IWF mehr Kapital zur Verfügung zu stellen. Dabei gilt es aber als selbstverständlich, daß die westlichen Industrieländer in der Organisiation weiterhin das Sagen haben werden.
Als die größten Geldgeber haben bisher die USA und mit Abstand Japan und Deutschland die Politik des Fonds bestimmt, der die ökonomischen Bastionen der Entwicklungsländer sukzessiv für die neoliberale Globalisierung sturmreif geschossen hat. Daher hält sich in der Dritten Welt die Begeisterung für den IWF, der mit seinen strikten Auflagen immer wieder Länder in tiefe Krisen mit schweren sozialen Unruhen gestürzt hat, sehr in Grenzen.
Steinbrück setzt auf IWF
In Washington soll am 15. November ein »Weltfinanzgipfel« der zwanzig führenden Wirtschaftsländer (G-20) stattfinden. China, Indien, die Golfstaaten, Singapur und sowie wahrscheinlich Südafrika, Brasilien und Australien sollen mit eingeladen werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet von dem Treffen ein klares Mandat für einen Verhandlungsprozeß, an dessen Ende neue Regeln für das weltweite Finanzsystem stehen müßten. Europa werde dabei »eine sehr führende und auch eine fordernde Rolle einnehmen«. In welche Richtung der Zug abfahren soll, hat Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) deutlich gemacht, als er sagte, der Internationale Währungsfonds sei die geeignete Institution, im Auftrag des Weltfinanzgipfels die neuen Regeln für die internationalen Finanzmärkte zu entwerfen, umzusetzen und zu überwachen.Geht es nach Steinbrück – und darin ist er sich mit seinen westlichen Kollegen einig – dann soll der IWF-Bock zum Gärtner gemacht werden, um sicherzustellen, daß die internationalen Finanzmarktreformen systemkonform neoliberal bleiben und die Kreise der Hochfinanz nicht nachhaltig gestört werden. Allerdings sieht es nicht danach aus, daß die anderen Länder der G-20 gewillt sind, dem Westen beim Weltfinanzgipfel das Feld zu überlassen. »Die Vereinigten Staaten haben mit Hilfe der Dominanz des Dollar den Reichtum der Welt ausgeplündert«, hieß es am 25. Oktober auf der Titelseite der Auslandsausgabe der führenden chinesischen Tageszeitung The People’s Daily. Daher bedürfe die Welt dringend anderer Währungen, die den Dollar ersetzen. Deshalb forderte das chinesische Staatsorgan die asiatischen, aber auch die europäischen Länder auf, ihren bilateralen Handel nicht mehr in Dollar abzuwickeln, sondern in ihren eigenen Währungen. Als Zeichen einer fundamentalen Verärgerung über die vom US-Finanzsystem ausgehende Krise häufen sich in letzter Zeit Kommentare dieser Art in chinesischen Zeitungen.
Südamerika geht voran
Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin griff die Anregung sofort auf und schlug beim Besuch seines chinesischen Amtskollegen Wen Jiabao in Moskau vor, den bilateralen russisch-chinesischen Handel (2008 etwa 50 Milliarden Dollar) in Zukunft nur noch in den nationalen Währungen Rubel und Renminbi (Yuan) abzuwickeln. Ein solcher Wechsel werde nicht leicht sein, aber angesichts der Probleme mit dem Dollar absolut notwendig, erklärte Putin.Argentinien und Brasilien haben diesen Schtritt bereits gemacht. Die argentinische Präsidentin Cristina Fernández und der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hatten bereits im September ein Abkommen unterzeichnet, das die Jahrzehnte lange Vorschrift aufhob, wonach der bilaterale Handel zwischen den beiden größten Volkswirtschaften Lateinamerikas nur in Dollar fakturiert werden durften. Ab 15. Oktober kann nun der gegenseitige Handel im Wert von etwa 30 Milliarden Dollar in Pesos oder Real abgewickelt werden.
Derweil hat der russische Außenminister Sergei Lawrow angekündigt, daß sich Brasilien, Rußland, Indien und China (BRIC) im Vorfeld des Weltfinanzgipfels mit anderen Schwellenländern in Sao Paulo treffen werden, »um unsere Anstrengungen zur Bewältigung der Krise zu koordinieren«. Die Erklärung vermittelt den Eindruck, daß sich die vier BRIC-Länder auf eine Konfrontation mit der dominierenden US-UK-EU-Allianz auf dem Washingtoner Finanzgipfel am 15. November vorbereiten.
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