Didier, Reiners (Büro Troost): Einschätzung des Abschlussberichts „Eine Neue Balance von Markt und Staat: …“ (SPD Parteivorstand)

04.11.2008 / Raoul Didier und Suleika Reiners (Büro Troost), 31.10.2008

Einschätzung des Abschlussberichts „Eine Neue Balance von Markt und Staat: …“ der Projektgruppe des SPD Parteivorstands „Mehr Transparenz und Stabilität auf den Finanzmärkten“

1 Gesamteinschätzung

1.1 Zur Ursachenanalyse der SPD

Bereits in der Ursachenanalyse für die Finanzkrise greift die Einschätzung der Projekt­gruppe zu kurz. Demnach liegen die Ursachen der Krise im Fehlverhalten von „Finanz­akteuren“ und deren Renditeerwartungen sowie in der unzureichenden staatlichen Kontrolle und Aufsicht dieser Akteure. Zwar ist die Kritik an diesen Profiteuren und ihrer unzureichenden Kontrolle berechtigt, letztlich liegt aber die Ursache für die Krise in der verteilungspolitischen Schieflage zwischen Arbeit und Kapital, sowohl national wie international, begründet. Wer die Existenzgrundlagen breiter Bevölkerungsschich­ten zunehmend beschneidet (Lohndumping, Sozialkürzungen, Steuer- und Abgaben­politik zu Gunsten der Konzerne und Superreichen), provoziert zwangsläufig ein Sys­tem, in dem immer größere Kapitalmassen in die Spekulation getrieben werden. Ge­nau diese systemimmanenten Ursachen werden geflissentlich ausgeblendet, wohl auch deshalb, weil die SPD an deren Schaffung kräftig mitgewirkt hat (Unternehmens­teuerreform, Agenda 2010).

1.2 Zum Maßnahmenpaket der SPD (14 Maßnahmen)

Stoßrichtung: Das Maßnahmenpaket enthält sinnvolle, lange überfällige Verbesse­rungen der nationalen und internationalen Aufsicht, der Risikovorsorge seitens der Finanzinstitute sowie der persönlichen Haftung. Nicht alle Maßnahmen sind rechtlich bindend. Während Verbesserungen der Aufsicht und Bilanzierungsvorschriften recht­lich verankert werden sollen, gilt dieses z.B. nicht für die Anpassung der Anreiz- und Vergütungssysteme. Auch Hedge-Fonds sollen nur z.T. rechtlich bindend reguliert werden, anderes wird einem Verhaltenskodex überlassen. Etliches ist noch zu konkre­tisieren und quantifizieren. Dies betrifft etwa die Liquiditäts- und Eigenkapitalvorsorge der Finanzinstitute ebenso wie die Anpassung der Anreiz- und Vergütungssysteme und die Funktion des IWF.

Was fehlt: Das Paket beschränkt sich weitgehend auf den aufsichtsrechtlichen Rah­men und das individuelle Handeln der Finanzakteure. Dabei fehlt z.B. als erste Ver­kehrsregel ein vorausschauender Finanz-TÜV, der Finanzinstrumente vor ihrer Zulas­sung auf gesamtwirtschaftliche Verträglichkeit und Verbraucherfreundlichkeit prüft. Auch wird abgesehen davon, dass Anreize geschaffen werden sollen, um den außer­börslichen Derivatehandel auf die Börse umzuleiten, weder etwas zu einer direkten Beschränkung des Derivatehandels gesagt noch zu dessen Entschleunigung etwa durch eine Finanztransaktionsteuer. Der Devisenhandel und die Stabilisierung von Wechselkursen durch Zielzonen bleiben ebenfalls außen vor.

Vor allem fehlt jeglicher Hinweis zum Verhältnis von Real- und Finanzwirtschaft. Lan­desbanken sollen gar auf ein oder zwei fusionierte und zentralisierte Apparate redu­ziert werden, statt in der Region zur Stützung der Sparkassen präsent zu sein und als öffentlich-rechtliche Institutionen vom überdimensionierten Renditedruck befreit zu werden. Von Umverteilung zu Gunsten der Realwirtschaft ist ebenso wenig die Rede wie von der Stärkung der öffentlichen Rente, einem stabilisierenden Konjunkturpro­gramm oder Zukunftsinvestitionen. Die Finanzmärkte isoliert ohne Stärkung der Real­wirtschaft regulieren zu wollen, ist höchst ineffizient und bewirkt keine Trendumkehr der Dominanz der Finanzmärkte über reale Unternehmen und Bürgerinnen und Bür­ger.

Die SPD hat die Finanzkrise gebraucht, um in ihren Maßnahmen so weit zu kommen, wie sie gekommen ist. SPD-Linke wie Ortwin Runde gehen deutlich weiter. So plädiert Runde im Diskussionspapier „Eine neue Finanzarchitektur“ vom 8. Oktober diesen Jah­res explizit dafür, Real- und Finanzwirtschaft ins Gleichgewicht zu bringen. Er spricht sich ebenso für ein strukturell wirkendes Stabilitäts- und Konjunkturpaket aus wie für Zukunftsinvestitionen. Auch der Finanz-TÜV, die Finanztransaktionsteuer und eine Demokratisierung des IWF finden sich wieder. Verbleibende SPD-Linke wie Ortwin Runde waren in der Arbeitsgruppe der SPD nicht vertreten.

  • Originaldokumente:

Abschlussbericht der Projektgruppe des SPD Parteivorstands:

http://www.spdfraktion.de/cnt/rs/rs_datei/0,,10174,00.pdf

Linkere SPD-Position „Eine neue Finanzarchitektur“ von Ortwin Runde:

http://www.ortwin-runde.de/media/file/127.081008_Ortwin_Runde_­_Eine_neue_Finanzarchitektur.pdf

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