Didier, Reiners (Büro Troost): Einschätzung des Abschlussberichts „Eine Neue Balance von Markt und Staat: …“ (SPD Parteivorstand)
1 Gesamteinschätzung
1.1 Zur Ursachenanalyse der SPD
Bereits in der Ursachenanalyse für die Finanzkrise greift die Einschätzung der Projektgruppe zu kurz. Demnach liegen die Ursachen der Krise im Fehlverhalten von „Finanzakteuren“ und deren Renditeerwartungen sowie in der unzureichenden staatlichen Kontrolle und Aufsicht dieser Akteure. Zwar ist die Kritik an diesen Profiteuren und ihrer unzureichenden Kontrolle berechtigt, letztlich liegt aber die Ursache für die Krise in der verteilungspolitischen Schieflage zwischen Arbeit und Kapital, sowohl national wie international, begründet. Wer die Existenzgrundlagen breiter Bevölkerungsschichten zunehmend beschneidet (Lohndumping, Sozialkürzungen, Steuer- und Abgabenpolitik zu Gunsten der Konzerne und Superreichen), provoziert zwangsläufig ein System, in dem immer größere Kapitalmassen in die Spekulation getrieben werden. Genau diese systemimmanenten Ursachen werden geflissentlich ausgeblendet, wohl auch deshalb, weil die SPD an deren Schaffung kräftig mitgewirkt hat (Unternehmensteuerreform, Agenda 2010).
1.2 Zum Maßnahmenpaket der SPD (14 Maßnahmen)
Stoßrichtung: Das Maßnahmenpaket enthält sinnvolle, lange überfällige Verbesserungen der nationalen und internationalen Aufsicht, der Risikovorsorge seitens der Finanzinstitute sowie der persönlichen Haftung. Nicht alle Maßnahmen sind rechtlich bindend. Während Verbesserungen der Aufsicht und Bilanzierungsvorschriften rechtlich verankert werden sollen, gilt dieses z.B. nicht für die Anpassung der Anreiz- und Vergütungssysteme. Auch Hedge-Fonds sollen nur z.T. rechtlich bindend reguliert werden, anderes wird einem Verhaltenskodex überlassen. Etliches ist noch zu konkretisieren und quantifizieren. Dies betrifft etwa die Liquiditäts- und Eigenkapitalvorsorge der Finanzinstitute ebenso wie die Anpassung der Anreiz- und Vergütungssysteme und die Funktion des IWF.
Was fehlt: Das Paket beschränkt sich weitgehend auf den aufsichtsrechtlichen Rahmen und das individuelle Handeln der Finanzakteure. Dabei fehlt z.B. als erste Verkehrsregel ein vorausschauender Finanz-TÜV, der Finanzinstrumente vor ihrer Zulassung auf gesamtwirtschaftliche Verträglichkeit und Verbraucherfreundlichkeit prüft. Auch wird abgesehen davon, dass Anreize geschaffen werden sollen, um den außerbörslichen Derivatehandel auf die Börse umzuleiten, weder etwas zu einer direkten Beschränkung des Derivatehandels gesagt noch zu dessen Entschleunigung etwa durch eine Finanztransaktionsteuer. Der Devisenhandel und die Stabilisierung von Wechselkursen durch Zielzonen bleiben ebenfalls außen vor.
Vor allem fehlt jeglicher Hinweis zum Verhältnis von Real- und Finanzwirtschaft. Landesbanken sollen gar auf ein oder zwei fusionierte und zentralisierte Apparate reduziert werden, statt in der Region zur Stützung der Sparkassen präsent zu sein und als öffentlich-rechtliche Institutionen vom überdimensionierten Renditedruck befreit zu werden. Von Umverteilung zu Gunsten der Realwirtschaft ist ebenso wenig die Rede wie von der Stärkung der öffentlichen Rente, einem stabilisierenden Konjunkturprogramm oder Zukunftsinvestitionen. Die Finanzmärkte isoliert ohne Stärkung der Realwirtschaft regulieren zu wollen, ist höchst ineffizient und bewirkt keine Trendumkehr der Dominanz der Finanzmärkte über reale Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger.
Die SPD hat die Finanzkrise gebraucht, um in ihren Maßnahmen so weit zu kommen, wie sie gekommen ist. SPD-Linke wie Ortwin Runde gehen deutlich weiter. So plädiert Runde im Diskussionspapier „Eine neue Finanzarchitektur“ vom 8. Oktober diesen Jahres explizit dafür, Real- und Finanzwirtschaft ins Gleichgewicht zu bringen. Er spricht sich ebenso für ein strukturell wirkendes Stabilitäts- und Konjunkturpaket aus wie für Zukunftsinvestitionen. Auch der Finanz-TÜV, die Finanztransaktionsteuer und eine Demokratisierung des IWF finden sich wieder. Verbleibende SPD-Linke wie Ortwin Runde waren in der Arbeitsgruppe der SPD nicht vertreten.
- Originaldokumente:
Abschlussbericht der Projektgruppe des SPD Parteivorstands:
http://www.spdfraktion.de/cnt/rs/rs_datei/0,,10174,00.pdf
Linkere SPD-Position „Eine neue Finanzarchitektur“ von Ortwin Runde:
http://www.ortwin-runde.de/media/file/127.081008_Ortwin_Runde__Eine_neue_Finanzarchitektur.pdf
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