Unten links (ND-Kommentar): "Journalistig"
Das größte Boulevard-Blatt des Landes veröffentlichte gestern, mit gewisser Empörung, einen Zehn-Jahres-Gehaltsvergleich: In den meisten Berufen gebe es ein Plus, das von der Inflation aber wieder aufgefressen werde. Die Bruttogehälter in über hundert Berufen werden aufgeführt – der Journalist fehlt. Er fehlt oft, wenn Journalisten öffentlich Soziologie betreiben. Als wäre da ein schlechtes Gewissen. Als fürchteten einige Tonangebende das Geständnis eines sehr guten Verdienstes. Sähe man diesen schwarz auf weiß, dürfte der angebende Ton sofort kein Brustton mehr sein. Dann, wenn man wieder mal zu allgemeiner Bescheidung und zum engeren Gürtel aufruft, also jene Wir-Entschlossenheit beschwört, nicht so leichtfertig über die Verhältnisse zu leben. Die Welt ist schlecht: Leben hat hohe Preise, der Mensch wird müde, er schweigt. Gut bezahlt aber werden die Kommentare. Drum hält man sich, wenn's ums Geld geht, lieber raus. Journalistisch ist das nicht. Ziemlich journalistig schon. hades