Gipfel ohne Tagesordnung
G20-Treffen in den USA mit handlungsunfähigem Gastgeber
Die G20-Staats- und Regierungschefs sowie die Notenbankpräsidenten der Industrienationen und größten Schwellenländer treffen sich am Samstag zum Weltfinanzgipfel in Washington. Doch zu einem »Bretton Woods II« oder einer »neuen Weltfinanzordnung« wird es wohl nicht kommen. Ein Grund: Das Gastgeberland USA, wo die Finanz- und Wirtschaftskrise begann, ist entscheidungsunfähig. Für Noch-Präsident George W. Bush wird der Gipfel zum letzten internationalen Auftritt seiner Amtszeit, während Nachfolger Barack Obama nur Beobachter entsendet.
Der G20-Gipfel sei »ein Gipfel ohne Tagesordnung«, sagt Sebastian Mallaby vom einflussreichen »Council of Foreign Relations« in der US-Hauptstadt. Der Finanzgipfel sei von Bush auf Druck des französischen Premiers Nicolas Sarkozy hastig einberufen worden und komme internationalen Politikern gerade recht. Denn: »Nationale Steuermechanismen sind gescheitert, wofür nationale Politiker nicht verantwortlich gemacht werden wollen.« Sie hätten deshalb »dem Mangel an internationaler Zusammenarbeit« die Schuld zugeschoben und seien »froh, dies auf dem Gipfel erklären zu können«. Mehr sei nicht zu erwarten.
Am Dienstag teilte der Leiter des Obama-Übergangsteams, John Podesta, mit, der künftige Präsident werde am Gipfel nicht teilnehmen, um dem amtierenden nicht in die Quere zu kommen. Es sei »nicht angemessen, wenn zwei Leute bei diesem Treffen auftauchen«. Obama entsendet stattdessen als Beobachter die Ex-Außenministerin Madeleine Albright und den ehemaligen republikanischen Abgeordneten Jim Leach, die beide in seinem Beraterteam aktiv sind. So bleibt es Bush überlassen, seine Rolle als »lahme Ente« zumindest durch mediale Präsenz auszufüllen. Er wird die altbekannte Position einnehmen: möglichst wenig Regeln auf internationaler Ebene, keine Beschneidung der HedgeFonds, Beibehaltung der USA-Dominanz im Internationalen Währungsfonds (IWF), der als einzige existierende Institution zur Regulierung der Finanzmärkte ausgebaut werden könnte.
Mit der Abwesenheit Obamas fällt für die Regierungs- und Notenbankchefs, die auf strengere internationale Regeln drängen, bis zur Amtsübernahme Obamas am 20. Januar die Perspektive weg. Ihnen und zahlreichen Wirtschaftsexperten bleiben nur Spekulationen über die zukünftige amerikanische Politik. So wird in den Biographien von Obamas Wirtschaftsberatern nach Hinweisen gesucht, ob sich die neue Washingtoner Regierung eher an westeuropäische Regulierungsideen oder das frühere Laissez-faire etwa der Briten anlehnen wird. Doch zu seinen Beratern zählen neoliberale »Clintonistas« wie Robert Rubin ebenso wie Ex-Arbeitsminister Robert Reich, ein keynesianistischer Sozialdemokrat.
Wichtigstes Ergebnis des kopflosen Gipfels könnte daher die Vereinbarung einer Reihe weiterer Gipfel sein. Schließlich habe »Bretton Woods« seinerzeit ja auch zwei Jahre gedauert. Die Krisenlösungsstrategie der neuen USA-Regierung soll dem Vernehmen nach drei Monate nach dem Amtsantritt auf einem zweiten Gipfel diskutiert werden.