Steuersenkung: Konjunktur stützen – aber sozial gerecht!

04.12.2008 / Von Barbara Höll, www.linksfraktion.de

Wenn Friedrich Merz die Konjunktur stützen will ist Vorsicht angebracht! Der rechte CDU/CSU-Wirtschaftsflügel schreit nach sofortigen Steuersenkungen und seine Vertreter Merz, Michael Glos und Laurenz Meyer behaupten, das diene allein der Konjunktur.

Konjunkturprogramme sind aber linke Politik! Sie sollen zusätzliche Nachfrage im Inland und Aufträge an Unternehmen schaffen und damit Arbeitsplätze sichern. Im Gegensatz zur Linken glauben die Neoliberalen eigentlich, dass staatliche Eingriffe nichts bewirken, dass die Schaffung zusätzlicher Nachfrage nicht funktioniert und dass allenfalls „strukturelle Hindernisse“ den freien Markt am Funktionieren hindern. Sind Merz & Co. also auf einmal nach links gerückt? Eher nicht!

Den CDU-Rechten geht es nicht um Konjunkturstützung. Sie wittern angesichts der Krise vor allem die Chance, weitere Steuergeschenke an Reiche und Konzerne zu verteilen. Bundeswirtschaftsminister Glos hat bereits betont, dass er kurzfristige, zeitlich befristete Maßnahmen ablehnt – obwohl gerade solche Maßnahmen konjunkturstützend wirken. Stattdessen geht es ihm um „strukturelle Entlastungen“. Allgemeine Steuersenkungen bringen in der Krise aber nichts. Denn sie entlasten Großverdiener ungleich stärker, während Geringverdienende, viele Rentner und Rentnerinnen sowie Hartz IV-Empfängerinnen und -Empfänger, die praktisch keine Steuern zahlen kaum etwas davon spüren.

Angesichts der Wirtschaftskrise brauchen wir sofort ein schlagkräftiges und wirksames Konjunkturprogramm. Das heißt: Um der wegbrechenden Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen zu begegnen, muss neue Nachfrage geschaffen werden. Das beste Mittel ist eine Ausweitung der staatlichen Nachfrage und eine zielgenaue Stärkung von unteren und mittleren Einkommen. Denn gerade Geringverdienerinnen und –verdiener geben einen Großteil ihres Einkommens sofort wieder aus. Menschen mit Spitzeneinkommen würden zusätzliches Geld aus Steuersenkungen eher auf die Hohe Kante legen, als zu konsumieren – der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und der Konjunktur wäre damit nicht gedient.

DIE LINKE. fordert zur sofortigen Stützung der Konjunktur:

  • Zusätzliche staatliche Ausgaben und Investitionen in Höhe von 30-50 Milliarden Euro jährlich. Mit sofortigen Investitionen in Universitäten, Infrastrukturmaßnahmen und Umweltschutz werden nicht nur sofort Aufträge an Unternehmen generiert und Arbeitsplätze gesichert. Auch langfristig stärken diese Investitionen die Gesellschaft und bringen einen sozial-ökologischen Fortschritt voran.

  • Die sofortige Erhöhung des Hartz IV- Regelsatzes auf 435 Euro. Damit hätten diejenigen mehr in der Tasche, die sich heute noch nicht einmal das Nötigste leisten können. Die Erhöhung wäre direkt nachfragewirksam.

  • Die sofortige Einführung eines Mindestlohns in Höhe von 8,71 Euro. Damit würden geringe Einkommen mit vergleichsweise geringer Sparquote erhöht und die Konsumnachfrage gestärkt. Zusammen mit anderen sozialpolitischen Maßnahmen würde das außerdem den Druck auf die Löhne mindern und so auch bei Normalverdienern langfristig für mehr Brutto und mehr Netto im Geldbeutel sorgen.

  • Die Wiederherstellung der alten Rentenformel einschließlich der Nachzahlung der durch Riester- und andere Dämpfungsfaktoren vorenthaltenen Rentenerhöhungen. Rentnerinnen und Rentner haben nicht selten ein geringes Einkommen, Rentenerhöhungen würden sofort nachfragewirksam.

  • Die Wiedereinführung der degressiven steuerlichen Abschreibung begrüßen wir. Diese müsste allerdings wesentlich konjunkturwirksamer ausgestaltet werden, um schnell die Investitionstätigkeit zu beleben.
\n Die Senkung des normalen Mehrwertsteuersatzes ist kein geeignetes Mittel gegen die Krise. Eine Senkung um ein bis zwei Prozent bedeutet massive Steuerausfälle und es ist kaum kontrollierbar, ob die Einzelhändler die Mehrwertsteuersenkung wirklich in niedrigeren Preisen an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben. Angesichts aufziehender Deflationsgefahren kann eine generelle Senkung auch kontraproduktiv wirken.

Allerdings will DIE LINKE die Besteuerung nach dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz (7 Prozent) auf solche Produkte und Dienstleistungen ausweiten, die lebensnotwendig sind (apothekenpflichtige Arzneimittel) und zielgenau wirken (Kinder, arbeitsintensive Dienstleistungen im Handwerk). Die Ermäßigung auf Produkte und Dienstleistungen für Kinder (z.B. Kinderbekleidung, Spielsachen) stellt vor allem für Empfängerinnen und Empfänger von Transferleistungen und Alleinerziehende eine spürbare Entlastung da. Sie ist zugleich eine von mehreren Maßnahmen gegen die wachsende Kinderarmut. Die Senkung des Umsatzsteuersatzes auf 7 Prozent für apothekenpflichtige Arzneimittel entlastet Bürgerinnen und Bürger sowie Krankenkassen. Die ermäßigte Besteuerung von arbeitsintensiven Handwerksdienstleistungen folgt auch einer ökologischen Zielsetzung im Sinne einer Abkehr von der Wegwerfgesellschaft, indem die Reparatur von defekten Geräten begünstigt wird.

Von den kurzfristigen Konjunktur stützenden Maßnahmen abgesehen, fordert DIE LINKE. dringend nötige Reformen für mehr Steuergerechtigkeit. Die Rot-Grüne und die Schwarz-Rote Bundesregierung verabschiedeten Steuerreformen, die die Steuerbelastung der Durchschnittsverdienerinnen und -verdiener ansteigen, die der Besserverdienenden hingegen abnehmen ließen. Das hat die seit Jahren wachsende gesellschaftliche Ungleichheit in der Einkommens- und Vermögensverteilung verschärft und zu katastrophalen sozialen Verwerfungen geführt.

Unsere steuerpolitischen Forderungen beinhalten daher die gezielte Entlastung der unteren und mittleren Einkommen bei gleichzeitiger Belastung der Reichen und Vermögenden. Steuerentlastungen sehen wir wie folgt vor:
Einkommensteuer:

  • Anhebung des Grundfreibetrags sowie die Begradigung des Tarifverlaufs in der Einkommensteuer

  • Sofortige Wiedereinführung der alten Pendlerpauschale

  • Anhebung des Kindergelds auf 200 Euro, mittelfristig auf 250 Euro
\n Steuerpolitisch zentral ist für uns, dass es auf der Gegenseite auch zu Steuererhöhungen kommt. Dies betrifft vor allem die Rücknahme der Unternehmenssteuerreform, die Anhebung des Spitzensteuersatzes und den Ausbau der Reichensteuer bei der Einkommensteuer. Außerdem brauchen wir sofort die Wiedereinführung und den Ausbau der Vermögensteuer, die Einführung einer Finanztransaktionsteuer sowie eine Erbschaftsteuer, die große Vermögen erheblich belastet.

Eine allgemeine Steuersenkung, wie sie der CDU/CSU-Wirtschaftsflügel im Auge hat, wäre hingegen nicht nur sozial ungerecht, weil sie vor allem Wohlhabende weiter entlasten würde. Sie wäre auch eine Fortführung der Politik, die maßgeblich zur Finanzkrise beigetragen hat: Viele reiche Haushalte und profitable Unternehmen haben schließlich ihre zusätzlichen Einnahmen auf der Suche nach kurzfristigen Renditemöglichkeiten in die Spekulation mit windigen Finanzmarktinstrumenten gesteckt und so erst das Anschwellen der Finanzmärkte ermöglicht.

Nur eine grundlegende Neuordnung der Wirtschafts- und Sozialpolitik mit einer Umverteilung von Reichtum kann die Ursachen der Finanzkrise überwinden. Steuersenkungen dürfen nicht dazu führen, dass die Profiteuere von maßloser Spekulation und überhöhten Gewinnansprüchen billig davonkommen.

Wohlhabende und Unternehmen müssen stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen werden. Eine allgemeine Senkung der Steuern ist aber nach der Krise politisch kaum rückgängig zu machen. Die öffentlichen Kassen würden dadurch langfristig weiter ausgeblutet – Bildungsausgaben müssten weiter gekürzt werden, Sozialabbau würde unter dem Vorwand des Sparzwangs weitergetrieben. Die in Deutschland stagnierende Binnennachfrage würde durch staatliches Sparen dann weiter gedrückt und die Konjunktur wohl langfristig lahmgelegt. Trotzdem stand eine solche staatliche Ausgaben-Kürzung auf dem zurückliegenden CDU-Parteitag bereits auf dem Programm: »Wer die Steuern senken will, der muss auch über Ausgaben sprechen«, drohte dort kein geringerer als Friedrich Merz.