Axel Troost: Rede zum Haushaltsgesetz 2009

25.11.2008 / Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 188. Sitzung, Berlin, Dienstag, den 25. November 2008 (Drucksachen 16/9900, 16/9902)

Dr. Axel Troost (DIE LINKE):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesen Wochen ist in diesem Haus viel von Vertrauen die Rede:

(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das ist wahr!)

von Vertrauen der Anlegerinnen und Anleger, von Ver­trauen in Märkte und Politik. Es trifft zu, dass eine Geld­wirtschaft ohne Vertrauen nicht funktionieren kann.

(Jörg Tauss [SPD]: Das ist wahr!)

Es stimmt aber auch, dass in den letzten Wochen viel Vertrauen verloren gegangen ist. Dieses Vertrauen ist aus unserer Sicht zu Recht verloren gegangen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Politik der Bundesregierung Merkel wie auch der Vorgängerregierung Schröder hatte dieses Vertrauen nicht verdient. Mit der Finanz- und Wirtschaftskrise be­kommen wir die Quittung für politische Fehler, die Sie, Herr Steinbrück, aber auch Sie als Abgeordnete der Re­gierungsfraktionen mit verantwortet haben.

(Lothar Mark [SPD]: Nur die Linke nicht!)

Ich könnte stundenlang aus Reden vorlesen, in denen Sie die Segnungen freier Finanzmärkte preisen. Ich möchte hier nur zwei Beispiele bringen. Im Februar die­ses Jahres hat unsere Fraktion einen Aktionsplan zur Finanzkrise eingebracht. Herr Oswald von der CSU, ich zitiere Sie:

Zur Deregulierung der Finanzmärkte gibt es keine Alternative. Sie hat der Wirtschaft und den Bürgern neue Anlage- und Finanzierungsmöglichkeiten er­öffnet, und sie hat zur Risikostreuung beigetragen.

Jetzt befürworten Sie und Ihre Koalition Teilverstaatli­chungen von Banken. Sie reden von internationaler Re­gulierung. Insgesamt habe ich das Gefühl, jetzt überall von frischgebackenen Reregulierern umgeben zu sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Unsere Fraktion, Die Linke, hat ebenso wie viele Engagierte in Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen davor gewarnt, dass Ihre Politik der Deregulierung unbeherrschbare Risiken schafft. Diese Stimmen haben leider recht behalten.

Ende April dieses Jahres haben wir einen zusätzlichen Sicherungsfonds für private Banken vorgeschlagen, da­mit nicht die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, son­dern die privaten Banken Risiken übernehmen und dafür bezahlen müssen. Angeblich haben wir übertrieben. Auch hier möchte ich ein Zitat bringen. Der Kollege Dautzenberg von der CDU hielt uns entgegen:

Die Darstellung in Ihrem Antrag, in dem Sie die Gefahr von Serienbankrotten deutscher Banken skizzieren, bedeutet Panikmache und ist unverant­wortlich.

Leider kam es viel schlimmer. Inzwischen gibt es den Rettungsfonds von 480 Milliarden Euro.

(Jörg Tauss [SPD]: Sind denn Banken bei uns bankrott gegangen?)

– Aber das haben wir mit diesem Fonds ja verhindert, der jetzt aus Steuermitteln und eben nicht von den priva­ten Banken bezahlt wird. Genau das ist der Unterschied.

(Beifall bei der LINKEN – Klaus Hagemann [SPD]: Das stimmt!)

Von allen Parteien hatten wir sicherlich die wenigsten Informationen im Fall DEPFA und im Fall Hypo Real Estate. Aber es war eigentlich klar – zu diesem Zeit­punkt wusste man es schon –: Hier ist Sanierung, hier ist ein solcher Fonds notwendig.

Ehrlich gesagt traue ich Ihrer Rhetorik von der Regu­lierung insgesamt nur wenig. Die Tatsache, dass Sie, Herr Steinbrück, als Schreiber der Rechtsverordnung zum 480‑Milliarden-Euro-Paket den Sohn des Wirt­schaftsministers beauftragt haben, macht mich da skep­tisch. Der Sohn von Herrn Glos ist nicht gewählter Poli­tiker und kein unabhängiger Berater oder Beamter, sondern Anwalt in der Kanzlei Freshfields und vertritt dort die Finanzbranche.

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist aber ein exzellenter Anwalt, wie Sie wissen!)

– Ja, aber eben ein Anwalt, der im Interesse der Kredit­wirtschaft arbeitet und so Einfluss nimmt.

(Beifall bei der LINKEN – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist eine Unverschämtheit, was Sie hier sagen!)

Wie auch immer Sie es schaffen wollen, die Wähle­rinnen und Wähler von Maßnahmen zu überzeugen, ei­nes scheint mir ungeheuer wichtig zu sein: Machen Sie endlich Schluss mit der Umverteilung von unten nach oben!

(Beifall bei der LINKEN)

Holen Sie die Kosten der Finanz- und Wirtschaftskrise von denen zurück, die an der Deregulierung verdient ha­ben!

(Beifall bei der LINKEN)

Die reichsten 30 Prozent der Deutschen haben ihr Geld­vermögen von 2002 bis 2007 um 780 Milliarden Euro gesteigert. Freie Finanzmärkte sind die Grundlage, um Staaten, Bevölkerung und Beschäftigte durch Steuer­wettbewerb und Lohndumping gegeneinander auszu­spielen. Nur so konnte sich eine kleine Minderheit die­sen unvorstellbaren Reichtum aneignen.


(Zuruf von der LINKEN: Genau!)

Eine Chance zur Korrektur der Kluft zwischen Arm und Reich hat die Große Koalition leider völlig verpasst. Ich spreche von der Erbschaftsteuer, über die wir am Freitag reden werden. Statt hier korrigierend einzugrei­fen, werden wir einen Kompromiss sehen, mit dem nicht einmal erreicht wird, dass das alte Aufkommen beibe­halten wird, geschweige denn dass Aufkommenssteige­rungen entstehen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal etwas zur konjunkturellen Situation und zum Konjunkturpro­gramm sagen. Es gibt inzwischen Prognosen, nach de­nen wir in einem Jahr einen Wachstumsrückgang um bis zu 1,8 Prozent haben werden. Das ist – um das deutlich zu sagen – doppelt so hoch wie der stärkste Rückgang, den wir bisher hatten, nämlich im Jahr 1975.

Wenn hier erklärt wird: „Wir wollen nicht dagegen­halten, wir wollen keine Staatsverschuldungserhöhung, wir wollen keine großangelegten Konjunkturpro­gramme“, dann hört sich das erst einmal solide an. Nur, wir kennen das doch aus den Erfahrungen: Wir werden Steuermindereinnahmen haben. Wir werden steigende Arbeitslosigkeit haben. Wir werden deswegen anschlie­ßend steigende Staatsverschuldung haben, aber auf hö­herem Niveau der Arbeitslosigkeit und bei schlechterer wirtschaftlicher Situation.

Deswegen sage ich Ihnen: Sie sollten mit dieser Poli­tik der ruhigen Hand Schluss machen. Sie landen sonst am Ende mit eingeschlafenen Füßen in einer wirtschaft­lichen Katastrophe.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)