Axel Troost: Rede zum Haushaltsgesetz 2009
Dr. Axel Troost (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesen Wochen ist in diesem Haus viel von Vertrauen die Rede:
(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das ist wahr!)
von Vertrauen der Anlegerinnen und Anleger, von Vertrauen in Märkte und Politik. Es trifft zu, dass eine Geldwirtschaft ohne Vertrauen nicht funktionieren kann.
(Jörg Tauss [SPD]: Das ist wahr!)
Es stimmt aber auch, dass in den letzten Wochen viel Vertrauen verloren gegangen ist. Dieses Vertrauen ist aus unserer Sicht zu Recht verloren gegangen.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Politik der Bundesregierung Merkel wie auch der Vorgängerregierung Schröder hatte dieses Vertrauen nicht verdient. Mit der Finanz- und Wirtschaftskrise bekommen wir die Quittung für politische Fehler, die Sie, Herr Steinbrück, aber auch Sie als Abgeordnete der Regierungsfraktionen mit verantwortet haben.
(Lothar Mark [SPD]: Nur die Linke nicht!)
Ich könnte stundenlang aus Reden vorlesen, in denen Sie die Segnungen freier Finanzmärkte preisen. Ich möchte hier nur zwei Beispiele bringen. Im Februar dieses Jahres hat unsere Fraktion einen Aktionsplan zur Finanzkrise eingebracht. Herr Oswald von der CSU, ich zitiere Sie:
Zur Deregulierung der Finanzmärkte gibt es keine Alternative. Sie hat der Wirtschaft und den Bürgern neue Anlage- und Finanzierungsmöglichkeiten eröffnet, und sie hat zur Risikostreuung beigetragen.
Jetzt befürworten Sie und Ihre Koalition Teilverstaatlichungen von Banken. Sie reden von internationaler Regulierung. Insgesamt habe ich das Gefühl, jetzt überall von frischgebackenen Reregulierern umgeben zu sein.
(Beifall bei der LINKEN)
Unsere Fraktion, Die Linke, hat ebenso wie viele Engagierte in Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen davor gewarnt, dass Ihre Politik der Deregulierung unbeherrschbare Risiken schafft. Diese Stimmen haben leider recht behalten.
Ende April dieses Jahres haben wir einen zusätzlichen Sicherungsfonds für private Banken vorgeschlagen, damit nicht die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, sondern die privaten Banken Risiken übernehmen und dafür bezahlen müssen. Angeblich haben wir übertrieben. Auch hier möchte ich ein Zitat bringen. Der Kollege Dautzenberg von der CDU hielt uns entgegen:
Die Darstellung in Ihrem Antrag, in dem Sie die Gefahr von Serienbankrotten deutscher Banken skizzieren, bedeutet Panikmache und ist unverantwortlich.
Leider kam es viel schlimmer. Inzwischen gibt es den Rettungsfonds von 480 Milliarden Euro.
(Jörg Tauss [SPD]: Sind denn Banken bei uns bankrott gegangen?)
– Aber das haben wir mit diesem Fonds ja verhindert, der jetzt aus Steuermitteln und eben nicht von den privaten Banken bezahlt wird. Genau das ist der Unterschied.
(Beifall bei der LINKEN – Klaus Hagemann [SPD]: Das stimmt!)
Von allen Parteien hatten wir sicherlich die wenigsten Informationen im Fall DEPFA und im Fall Hypo Real Estate. Aber es war eigentlich klar – zu diesem Zeitpunkt wusste man es schon –: Hier ist Sanierung, hier ist ein solcher Fonds notwendig.
Ehrlich gesagt traue ich Ihrer Rhetorik von der Regulierung insgesamt nur wenig. Die Tatsache, dass Sie, Herr Steinbrück, als Schreiber der Rechtsverordnung zum 480‑Milliarden-Euro-Paket den Sohn des Wirtschaftsministers beauftragt haben, macht mich da skeptisch. Der Sohn von Herrn Glos ist nicht gewählter Politiker und kein unabhängiger Berater oder Beamter, sondern Anwalt in der Kanzlei Freshfields und vertritt dort die Finanzbranche.
(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist aber ein exzellenter Anwalt, wie Sie wissen!)
– Ja, aber eben ein Anwalt, der im Interesse der Kreditwirtschaft arbeitet und so Einfluss nimmt.
(Beifall bei der LINKEN – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist eine Unverschämtheit, was Sie hier sagen!)
Wie auch immer Sie es schaffen wollen, die Wählerinnen und Wähler von Maßnahmen zu überzeugen, eines scheint mir ungeheuer wichtig zu sein: Machen Sie endlich Schluss mit der Umverteilung von unten nach oben!
(Beifall bei der LINKEN)
Holen Sie die Kosten der Finanz- und Wirtschaftskrise von denen zurück, die an der Deregulierung verdient haben!
(Beifall bei der LINKEN)
Die reichsten 30 Prozent der Deutschen haben ihr Geldvermögen von 2002 bis 2007 um 780 Milliarden Euro gesteigert. Freie Finanzmärkte sind die Grundlage, um Staaten, Bevölkerung und Beschäftigte durch Steuerwettbewerb und Lohndumping gegeneinander auszuspielen. Nur so konnte sich eine kleine Minderheit diesen unvorstellbaren Reichtum aneignen.
(Zuruf von der LINKEN: Genau!)
Eine Chance zur Korrektur der Kluft zwischen Arm und Reich hat die Große Koalition leider völlig verpasst. Ich spreche von der Erbschaftsteuer, über die wir am Freitag reden werden. Statt hier korrigierend einzugreifen, werden wir einen Kompromiss sehen, mit dem nicht einmal erreicht wird, dass das alte Aufkommen beibehalten wird, geschweige denn dass Aufkommenssteigerungen entstehen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal etwas zur konjunkturellen Situation und zum Konjunkturprogramm sagen. Es gibt inzwischen Prognosen, nach denen wir in einem Jahr einen Wachstumsrückgang um bis zu 1,8 Prozent haben werden. Das ist – um das deutlich zu sagen – doppelt so hoch wie der stärkste Rückgang, den wir bisher hatten, nämlich im Jahr 1975.
Wenn hier erklärt wird: „Wir wollen nicht dagegenhalten, wir wollen keine Staatsverschuldungserhöhung, wir wollen keine großangelegten Konjunkturprogramme“, dann hört sich das erst einmal solide an. Nur, wir kennen das doch aus den Erfahrungen: Wir werden Steuermindereinnahmen haben. Wir werden steigende Arbeitslosigkeit haben. Wir werden deswegen anschließend steigende Staatsverschuldung haben, aber auf höherem Niveau der Arbeitslosigkeit und bei schlechterer wirtschaftlicher Situation.
Deswegen sage ich Ihnen: Sie sollten mit dieser Politik der ruhigen Hand Schluss machen. Sie landen sonst am Ende mit eingeschlafenen Füßen in einer wirtschaftlichen Katastrophe.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)