Sofortprogramm gegen die Wirtschaftskrise

14.01.2009 / Diskussionspapier von Ulla Lötzer, MdB; Axel Troost, MdB und Herbert Schui, MdB


Die Auseinandersetzung des nächsten Jahres wird von der Finanz- und Wirtschaftskrise be­stimmt sein. Der globale Kapitalismus verursacht die schwersten Verwerfungen seit der Weltwirtschaftskrise von 1929.

Ursache der Wirtschaftskrise ist dabei nicht nur die Finanzmarktkrise, erst Recht nicht die Gier von einzelnen Bank- oder Unternehmensmanagern. Sie ist vor allem Ergebnis der durch politische Entscheidungen verursachten grundsätzlichen Fehlentwicklungen des Kapita­lismus im Finanzmarktbereich, wie im Güter- und Dienstleistungsbereich.

· Die Exportorientierung der Wirtschaftspolitik verbunden mit der völligen Libe­ralisierung der Güter- und Dienstleistungsmärkte hat zu einem Verdrängungswett­bewerb auf den Weltmärkten geführt, der im wesentlichen zwischen Ländern glei­chen Niveaus zu Lasten von Sozial- und Umweltdumping ausgetragen wird und die Ungleichgewichte zwischen den Ländern verstärkt hat.

· Die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums verbunden mit der völligen Liberalisierung der Finanzmärkte hat die gewaltigen Vermögen geschaffen, die dann nach Anlage suchten und in gewaltigen Spekulationsblasen endeten.

· Einer Politik, die gefördert hat, dass Finanzmarktakteure und transnational agie­rende Konzerne mit der „Exit-Option“, der Drohung Kapital abzuziehen oder in der Konkurrenz um Neuanlagen eine restriktive Finanz- und Wirtschaftspolitik, Sozialabbau, Steuersenkung für Vermögende und Konzerne, Absenkung aller Standards, Auslieferung der Daseinsvorsorge und auch sozialer Sicherungssysteme an die Finanzmärkte erpressen konnten.

· Einer Politik, die gefördert hat, dass sich in Unternehmen die Orientierung am shareholder value durchsetzte. Damit hat die Wirtschaftspolitik die Gesellschaft dem Renditeziel der Wirtschaft unterworfen, die erkämpften Sozialpartnerschafts­verhältnisse wurden zu Gunsten eines Wettbewerbskorporatismus aufgekündigt, gewerkschaftliche Rechte abgebaut.

· Die damit verbundene Absenkung der Staatsquote hat zu gewaltigen strukturel­len Problemen geführt. Bildung, Daseinsvorsorge, Infrastruktur und ökologischer Umbau sind weltweit gefährdet. Neben der Finanz- und Wirtschaftskrise ist die Klimakrise Realität.

Bei den Auseinandersetzungen um Alternativen kommt der Bundesrepublik eine besondere Bedeutung zu: Wir sind das einzige Land in der Europäischen Union, in dem seit mehr als zehn Jahren Reallöhne und Sozialtransfers stagnieren, zum Teil sogar sinken. In keinem ande­ren Industrieland ist der Anteil der Unternehmensgewinne am Volkseinkommen so stark ge­stiegen wie in Deutschland. Nirgendwo geht die Schere zwischen Exportwachstum und bin­nenwirtschaftlicher Stagnation weiter auseinander. Exportweltmeister und Meister im Dum­ping von Steuern, sozialen Leistungen und Löhnen sind zwei Seiten einer Medaille. In keinem vergleichbaren Land ist die öffentliche Nachfrage und die Staatsquote so abgesenkt worden, wie in Deutschland. und in keinem anderen kapitalistischen Hauptland sitzen mehr Bremser gegen abgestimmte und wirkungsvolle Konjunkturprogramme und Antikrisenpolitik als in der Bundesrepublik.

Neben dem Sofortprogramm zur Überwindung der Finanzmarktkrise und zur demokratischen Neuordnung der Finanzmärkte und Weltwirtschaft im Rahmen des G20 Prozesses brauchen wir daher wirksame und kurzfristige Vorschläge zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise in Deutschland.

Sie müssen verbunden sein mit klaren Schnitten ins Fleisch des kapitalistischen Systems, Re-gionalisierung und Binnenmarktstärkung statt der Jagd nach Weltmarktanteilen, Umvertei­lung zugunsten der Armen bezogen auf die Länder und innerhalb aller Länder, Stärkung der sozialen und demokratische Rechte und des ökologischen Umbaus, Sicherung von Arbeits­plätzen und Sicherung der Daseinsvorsorge und Rekommunalisierung statt Privatisierung. Sie müssen sich einfügen in eine Strategie der Wirtschaftsdemokratisierung.

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