Axel Troost zur Bankenrettung: "Es kann nicht sein, dass Geld in Banken gesteckt wird, ohne dass der Geldgeber Stimmrechte bekommt"
Beratung Antrag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bankenrettung neu ausrichten - Drs 16/11756 -*
Dr. Axel Troost (DIE LINKE):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gehöre wahrlich nicht dem Stamme der Untergangspropheten an. Aber ich glaube, dass nach wie vor niemand in diesem Hause einen Überblick über das wahre Ausmaß der Gesamtkrise hat und dass wir uns deshalb ‑ auch das ist meine Prophezeiung ‑ im nächsten halben Jahr hier wiedersehen und über ganz andere Dimensionen von Rettung reden werden. Auch im Dezember hieß es ja, wie bräuchten kein zweites Konjunkturprogramm, aber im Januar lagen dann neue Zahlen vor.
In einer Umfrage der BaFin in der letzten Woche haben wir zum ersten Mal gehört, dass es faule Papiere in einer Höhe von angeblich um die 300 Milliarden Euro gibt; manche sagen sogar, es könnten auch 800 Milliarden bis 1 Billion Euro sein. Diese Zahlen haben wir nicht durch eine normale Prüfung der BaFin erfahren, sondern durch eine Umfrage. Das zeigt, wie groß die Gesamtdimension des Problems ist und dass wir in der Tat anfangen müssen, hier über ganz andere Maßnahmen zu reden.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Troost, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dautzenberg?
Dr. Axel Troost (DIE LINKE):
Ja.
Leo Dautzenberg (CDU/CSU):
Herr Kollege Troost, würden Sie, weil Sie von einer „Umfrage“ der BaFin sprachen, konzedieren, dass es einen Unterschied zwischen Abfrage und Umfrage gibt und dass es sich bei der BaFin um eine Abfrage zum aktuellen Stand bei den Risikopapieren handelte? Das ist ein himmelweiter Unterschied. Wir sollten nicht zulassen, dass Ihre Unterstellung einer „Umfrage“ den Anschein erweckt, die BaFin wäre hier im Grunde ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen; denn das wäre falsch.
Dr. Axel Troost (DIE LINKE):
Ob man „Abfrage“ oder „Umfrage“ sagt, ist völlig egal.
(Joachim Poß (SPD): Nein!)
Entscheidend ist, dass die Zahlen nicht das Ergebnis der Standardprüfungen der BaFin sind, sondern dadurch bekannt geworden sind, dass die Banken zum Zeitpunkt X individuell abgefragt worden sind, was zu den entsprechenden Meldungen geführt hat. Darin liegt aber genau das Problem; denn das wahre Ausmaß der Krise ist der BaFin nicht zu jedem Zeitpunkt bekannt, sondern muss immer erst durch Umfragen bei den Instituten ermittelt werden.
(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Sie sind also nicht bereit, den Unterschied zwischen Abfrage und Umfrage zur Kenntnis zu nehmen!)
- Von mir aus können wir sagen: Abfrage bei den 20 größten Banken. Ansonsten sehe ich aber keinen Unterschied zu alldem, was ich vorhin gesagt habe.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich möchte einmal rekapitulieren. Als es um den Rettungsschirm ging, hat die Linke gesagt, dass so etwas im Prinzip erforderlich ist. Sie hat aber aus drei Gründen dagegen gestimmt.
Erstens hat sie aufgrund des parlamentarischen Verfahrens dagegen gestimmt; dazu will ich an dieser Stelle aber nichts sagen.
Zweitens hat die Linke von Anfang an gefordert: Wenn am Schluss dieser Rettungsaktionen ein Minus für die öffentliche Hand herauskommt, dann muss dieses Minus die Kreditwirtschaft übernehmen. Das ist aber nicht vorgesehen, sondern es ist völlig offen, was am Schluss mit diesem Minus passiert.
Drittens haben wir gefordert - das ist noch wichtiger -: Wer Geld in Form von Einlagen bekommen will, der muss auch Stimmrechte zulassen. Es kann nicht sein, dass Geld in Banken gesteckt wird, ohne dass der Geldgeber Stimmrechte bekommt.
(Beifall bei der LINKEN)
Das ist im Falle der Commerzbank aber passiert: 16 Milliarden Euro wurden der Commerzbank inzwischen als stille Einlagen gegeben.
(Norbert Schindler (CDU/CSU): Was ist mit dem SED-Vermögen, das ihr noch habt?)
- Können wir vielleicht bei der Sache bleiben?
Angesichts dieser stillen Einlagen von 16 Milliarden Euro habe ich an die Verzinsung in Höhe von 9 Prozent gedacht, wovon wir schon eben in dem Beitrag der FDP gehört haben. Doch weit gefehlt! Die 9 Prozent Zinsen gibt es nur, wenn Gewinn gemacht wird, sonst nicht. Dann hätte man aber auch Aktienanteile kaufen können und hätte nicht auf eine stille Einlage zurückgreifen müssen.
Was wir bei der Commerzbank vorfinden, ist das typische Beispiel halbherzigen Handelns. Wir halten eine Beteiligung von 25 Prozent. Der aktuelle Börsenwert liegt zwischen 4 und 5 Milliarden Euro. 18 Milliarden Euro wurden inzwischen in die Commerzbank investiert. Zu Deutsch: Mit dem Geld, das insgesamt geflossen ist, hätte man vier oder fünf Banken wie die Commerzbank übernehmen können, und zwar zu 100 Prozent. Das ist für meine Begriffe der eigentliche Skandal.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Antrag der Grünen geht nach meiner Meinung in die richtige Richtung. Wir sind in der Tat der Ansicht - „intelligent“ ist immer gut -, dass eine Vergesellschaftung des Privatbankenbereiches auf der Tagesordnung steht. Vergesellschaftung heißt nicht nur, dass der Bund einsteigt, sondern heißt in der Tat auch, zu schauen, wie man in Zukunft mit diesem Bereich vor dem Hintergrund eines funktionierenden Sparkassensektors und eines funktionierenden Genossenschaftsbankensektors umgeht. Es kann nicht sein, dass jetzt mit öffentlichen Mitteln Privatbanken gestärkt werden und diese anschließend in die Marktsegmente der Sparkassen und der Genossenschaftsbanken gehen.
Es besteht also dringender Handlungsbedarf. Wir können das Problem nur lösen, wenn wir nach vorne gerichtet handeln. Auch das ist völlig klar: Nach einer öffentlichen Übernahme kommen gigantische Kosten auf die öffentliche Hand zu. Da braucht man sich nichts vorzumachen. Das ist keine Vermeidungsstrategie, sondern eine Offensivstrategie.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)
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* Antrag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Bankenrettung neu ausrichten
- Drs 16/11756 -