Rette sich, wer kann
Die Regierungen der wichtigen EU-Staaten scheinen immer noch nicht ernstzunehmen, dass die Finanzkrise längst einen neuen Drive bekommen hat. Bei ihrem Treffen in Berlin jedenfalls beschränkten sie sich auf olle Kamellen. Nicht dass eine schärfere Kontrolle von Banken, Hedge-Fonds oder Steueroasen unwichtig wären – doch nötig ist mehr als Allgemeinplätze, zumal in den zuständigen G20-Arbeitsgruppen längst Einigkeit in diesen Fragen besteht.
Offenbar sehen sich die Europäer als Vorreiter in Sachen Finanzmarktregulierung. Schließlich hat man schon vor der Krise das eine oder andere gefordert – freilich, ohne es durchzusetzen. Und die aktuelle Offensive gegen Steueroasen kommt auch nicht aus der EU, sondern von der neuen US-Regierung.
Vor allem fehlt eine Neubewertung der Rolle des Finanzsektors. Das gilt für das Geschäftsmodell der Banken ebenso wie für die internationalen Märkte. Bei Anleihen werden kleine Euroländer von Deutschland, Frankreich etc., die sich hoch verschulden, an den Rand gedrängt. Zahlreichen osteuropäischen Staaten droht Zahlungsunfähigkeit. Hierauf gibt es in der EU bisher überhaupt keine Antwort – ebenso wenig wie auf die Frage notwendiger Hilfen für arme Entwicklungsländer, die die Finanzkrise und den stärkeren Protektionismus ausbaden sollen. Solidarität bleibt in der EU ein Fremdwort. Das Motto lautet: Rette sich, wer es sich leisten kann.