Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik auf der Leipziger Buchmesse "Leipzig liest"
Datum: 12. März 2009
Uhrzeit: 17:00 - 17:30 Uhr
Veranstaltungsart: Lesung und Gespräch
Mitwirkende: Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik,
Horst Hesse
Alternativen zur Bedienung der Oberschicht
Beschreibung:
Die notwendige Neuverteilung von Einkommen, Arbeit und Macht. Zum alljährlich erscheinenden MEMORANDUM der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik
Euphorische Einschätzungen zum jüngsten Aufschwung wurden von der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik zu keiner Zeit geteilt. Es war nicht das erste Mal, dass aufgrund unzulänglicher Beachtung der tieferen, langfristigen Ursachen der deutschen Wachstumsschwäche und der Massenarbeitslosigkeit kurzsichtiger Zweckoptimismus und Fehleinschätzungen zu falschen Prognosen führten. Insofern verwundert es nicht, dass hohe Wachstumsprognosen im vergangenen Aufschwung wieder zurückgenommen wurden und die Konjunktur sich als sehr fragil erwies. Die Ursache hierfür liegt aber keineswegs in der amerikanischen Hypothekenkrise, sondern in der anhaltenden Schwäche der deutschen Binnenwirtschaft. Zur langfristigen Überwindung der damit verbundenen gesamtwirtschaftlichen und schärfer werdenden sozialen Probleme bedarf es vor allem deutlich steigender Löhne und Gehälter sowie einer grundlegenden Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik. Neben einer umfassenden Ausweitung der öffentlichen Investitionen ist eine Rückkehr zu einem gerechten Steuersystem vordringlich.
Der jüngste Konjunkturaufschwung brachte 2006 und 2007 deutliche Wachstumszunahmen, und die Arbeitslosenquote sank bis 2008 auf 8,7 Prozent. Die Zahl der Erwerbstätigen erreichte 2008 mit etwas über 40 Millionen einen Spitzenwert. Ein einzelner Konjunkturaufschwung kann jedoch die langfristige Entwicklung nicht grundsätzlich verändern, solange die problematischen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen fortbestehen. Deshalb war von Beginn des Aufschwungs an damit zu rechnen, dass eher früher als später die alten Probleme - Wachstumsschwäche und hohe Arbeitslosigkeit - zurückkehren würden. Die binnenwirtschaftliche Nachfrageschwäche wurde nicht überwunden. Eine deutliche Tendenz zur Bereinigung der großen strukturellen Diskrepanzen zwischen verschiedenen Regionen, insbesondere des West-Ost-Gefälles, war auch während des Aufschwungs nicht zu erkennen. Die Wirtschaftspolitik hielt am "Konsolidierungskurs" fest, und die Schieflage der Einkommens- bzw. Kaufkraftverteilung wurde nicht korrigiert. Die von Politikerinnen und Politikern, Medien und Wirtschaftsexperten bis weit in das Jahr 2007 hinein geschürten Erwartungen, der jüngste Konjunkturaufschwung führe die bundesdeutsche Wirtschaft wieder dauerhaft auf einen steilen Wachstumspfad, standen von Anfang an auf brüchiger Grundlage. Auch im früheren Aufschwung des "New Economy"-Booms wurde eine kurzfristig durchaus positive Entwicklung unzulässig in die weitere Zukunft hinein extrapoliert.
Solche voreiligen Deutungen kurzfristiger, konjunktureller Aufhellungen verführen die Wirtschaftspolitik dazu, die dauerhaften Wachstums- und Beschäftigungsprobleme zu verdrängen und auf der Basis einer unzulänglichen Problemdiagnose an der falschen Therapie festzuhalten. Die Wachstumsbelebung im gegenwärtigen Konjunkturzyklus begann zudem in einer Phase, während der bereits absehbar war, dass die amerikanische Wirtschaft in Schwierigkeiten geraten würde, und während der warnende Stimmen - wie etwa die von Alan Greenspan im Januar 2007 - laut wurden, die auf das hohe Risiko einer Rezession der US-Wirtschaft ab Ende 2007 hinwiesen. Vor dem Hintergrund eines derart von Anfang an belasteten Konjunkturaufschwungs wäre die bundesdeutsche Regierung gut beraten gewesen, den Aufschwung nach Kräften zu unterstützen, statt ihre wachstumsdämpfenden Bemühungen um eine weitere Reduktion der Haushaltsdefizite und eine Absenkung der im internationalen Vergleich ohnehin (zu) niedrigen Staatsquote fortzusetzen. Inzwischen ist offenkundig, dass die globale Krise auf die im besonderen Maße exportfixierte deutsche Wirtschaft gravierende Auswirkungen haben wird. Ohne eine grundsätzliche Umsteuerung in der Wirtschaftspolitik wird die deutsche Wirtschaft besonders krisenanfällig bleiben.
Halle 5, Stand A200 Genre Fachbuch / Wissenschaft, Politik, Sachbuch