Links bedeutet auch, Spaß an Politik zu haben
Wer Axel Troost nicht kennt und mit ihm verabredet ist, den erwarten gleich mehrere Überraschungen. Wer Überraschungen auch mit Aha-Effekten verbindet, der hat noch mehr Genuss von einer Begegnung mit ihm. Ihm zuzuhören und zuzusehen macht einfach Spaß. Nicht nur, dass er die Gestalt und Gutmütigkeit von Obelix hat, Axel Troost – man verzeihe den Vergleich – vereint zugleich auch den Gegenpart der beiden Trickfilmhelden in sich. Er hat ebenso die Leidenschaft und den zupackenden Geist von Asterix. Nur spielt sich sein Leben nicht in den weiten gallischen Ebenen, sondern zwischen Sachsen, dem Sitz seines Abgeordnetenbüros, dem Bundestag in Berlin sowie Bremen – seit 26 Jahren Wahlheimat und Sitz des zweiten Abgeordnetenbüros – ab.
Er ist finanzpolitischer Sprecher der Fraktion und hat Spaß, Spaß an Politik, und das schon seit frühester Jugend. Seine linke »Prägung« bekam er auf der Eliteschule Salem. Offensichtlich gab es damals dort Mentoren – zu seinem Klassenlehrer hat er noch heute freundschaftlichen Kontakt –, die dem jungen Wilden soziales Engagement vorlebten.
Gymnasiast Troost konnte es kaum erwarten 16 Jahre alt zu werden, um den ersten SPD-Ortsverein in jenem Kaff zu gründen. Er organisierte Seminare zur Problematik der dritten Welt und hoffte auf rege Beteiligung in der Schülerschaft. Nicht einer kam zu seinem Seminar. Diese Ignoranz war für ihn kaum zu ertragen. Deshalb trat er in den Hungerstreik – drei Tage lang. Geschadet hat es ihm nicht – im Gegenteil. Er begriff, man muss Mehrheiten gewinnen. Es war Anfang der siebziger Jahre, die Zeit des Rechtsrucks in der SPD, die Zeit der Berufsverbote, und er trat recht schnell wieder aus der Partei aus. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre in Marburg, promoviert er über die Verteilungswirkung der Staatsverschuldung. Er wollte nachweisen, dass die Reichen durch die Staatsverschuldung immer reicher, die Armen dadurch immer ärmer werden. Diesen Nachweis konnte seine Doktorarbeit nicht erbringen. Denn, die Reichen werden nicht immer reicher, weil es die Staatsverschuldung gibt, sondern weil sie durch eine zu geringe Besteuerung der hohen Einkommen und Vermögen ständig mehr Geldvermögen bilden können.
»Ich muss Sachen liebevoll machen.«
Axel Troosts Stil, sich mit wirtschaftspolitischen Problemen und Alternativen zum Kapitalismus auseinander zu setzen, ist gründlich, wissenschaftlich exakt. Er ist seit 1981 Geschäftsführer der »Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik« (Memorandumgruppe) und nennt diesen Stil: »Eine Sache liebevoll machen«. »Liebevoll machen« steht synonym für, vollen Einsatz, keine Halbheiten oder Mogeleien im politischen Alltagsgeschäft.
Er mag es bis heute nicht, über Dinge zu reden, die er nicht verstanden hat. Er kann nur innerlich vertreten, wovon er auch überzeugt ist. Innerlich überzeugt ist er nur, wenn er selber auch »Ableitungen« finden kann. Logisch, er ist viel zu sehr Wissenschaftler und praktischer Macher. Sich nur in der Theorie alternativer Wirtschaftsforschung zu bewegen, war ihm von Anfang an zu wenig. 1984 gründet er aus dem Nichts die »PIW Progress-Institut für Wirtschaftsforschung GmbH« und hat Erfolg. Es sind Erfolge des tüchtig Umsichtigen. Seine Erfahrungen und Neugier prädestinieren ihn für wirtschaftliches Neuland im Osten. Hier ist nach der Wende die Arbeitslosenquote besonders hoch. Arbeitsplätze werden im-mer weniger und doch wird Arbeit immer mehr. Ein Paradoxon, geradezu pervers in einem reichen Land, wenn einem Millionenheer an Arbeitslosen ein Berg an uner-ledigten gesellschaftlich notwendigen und nützlichen Aufgaben gegenübersteht, die wegen fehlender kaufkräftiger Nachfrage nicht zu Erwerbsarbeit werden.
»Bedenkenträger« gibt es immer, wenn man Neues versucht
Von 1990 bis 2001 ist Axel Troost zusätz-lich Geschäftsführer der »BÜSTRO Büro für Strukturforschung Rostock GmbH«. Eine Machbarkeitsstudie in der Modellre-gion Rostock soll neue Denkansätze und Modelle im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor aufzeigen. Die Studie erbringt den Nachweis trotz hunderter »Bedenkenträger«, wie Troost sie nennt. 13 Leitideen bilden den Kern der Idee GAP (Gemeinwohl-orientierte Arbeitsförderprojekte). Dazu gehören u.a. längerfristige Beschäftigung, ortsübliche Bezahlung nach Qualifikation, Transparenz, Effizienz und Wettbewerblichkeit. Fast 500 Arbeitsplätze wurden allein in der Region Rostock regional geschaffen und durch eine Regiestelle betreut. Immerhin - Arbeitsplätze z.B. in Nachbarschaftshilfe, Betreuung für Kinder und ältere Bürger, Tourismus-, Kultur- und Ökologieprojekten. Die Rot-Rote Regierung von Mecklenburg Vorpommern wurde so Voreiter für neue Ideen auf dem Arbeitsmarkt. Es hätten noch mehr sein können, meint Troost. In Mecklenburg -Vorpommern stellt inzwischen wie im Bund eine Große Koalition die Regierung. Mit Verbitterung nimmt Axel Troost zur Kenntnis, dass in großen Teilen der SPD, ebenso wie in der CDU nicht wirklich Maßnahmen zum Abbau von Arbeitslosigkeit in Angriff genommen werden. Es seien Scheinaktivitäten. Die SPD hat sich von ihren Grundsätzen, von sozialer Gerechtigkeit und Solidarität, verabschiedet. Neben der Steuerpolitik seien die Maßnah-men in der Arbeitsmarktpolitik die gesellschaftlich fatalsten Fehlentscheidungen der rot-grünen Regierung nach 1998. Zu-nehmende Ausgrenzung, Chancenlosigkeit und vererbte Armut als deren Auswirkungen machen Axel Troost wütend. Dies hat ihn auch dazu gebracht 2004 die WASG mitzugründen und in deren geschäftsführendem Vorstand zu arbeiten. Um eine gesamtdeutsche erfolgreiche LINKE zu schaffen, befördert er in Programmkommission und Steuerungsgruppe die Verschmelzung von WASG und Linkspartei.PDS zu DIE LINKE, in deren Parteivorstand er noch heute ist. Er wird immer wieder bohrend nachfragen, was andere Parteien wirklich zum Abbau von Arbeitslosigkeit beitragen.
»Wir müssen eine linke Bewegung organisieren, die überzeugend sagt, so geht es nicht«
Massenarbeitslosigkeit und Armut, Bildungsfragen und Chancengleichheit sind in der Zeit der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise die beherrschenden Themen. »Es reicht nicht, darüber zu schreiben, es reicht nicht auf Demos zu »latschen«, wir müssen eine linke Bewegung organisieren, die überzeugend sagt «es geht konkret auch anders.« Sein Part sei es nicht vorrangig Betroffene »einzusammeln, sein Part sei es aufzuzeigen, welche politisch realisierbaren Alternativen es gibt, meint Axel Troost. Mit überzeugenden, akzeptablen Lösungsansätzen will er auch Bürger aus Mittelschichten ansprechen, regional bezogene Konzepte auch in Form von Standortkonferenzen und -beiräten entwickeln und vorstellen, die real umgesetzt werden können. Axel Troost will sich als Direktkandidat für den Wahlkreis 155 (Landkreis Leipzig) ins Wahlgetümmel werfen und dennoch darüber hinaus als finanz- und wirtschaftspolitischer Experte überall in Sachsen zur Verfügung stehen. »In Borna haben wir die erste Oberbürgermeisterin der LINKEN im Amt. Ich stehe mit ihr im Kontakt, will helfen, vor Ort geeignete Instrumente für mehr Beschäftigung zu entwickeln. Das ist in einem Kreis mit zwei Modellen (ARGE und Optionskommune) sicher nicht einfach.« Die sächsische Landespartei ringt zur Zeit um wirtschafts- und finanzpolitische Grundsätze. Hier will er mitarbeiten. Beweise dafür, dass die Linke gesellschaftlicheThemennachhaltigsetzen kann, habe z.B. die Mindestlohnkampagne der Bundestagsfraktion, aber erst recht die Forderung eines Zukunftsprogramms im vergangenen Jahr gezeigt. Seit Axel Troost im Herbst 2005 in den Bundestag einzog, sei der Samstag zum Regelarbeitstag für ihn geworden. Seine Dauerkarte bei Werder Bremen hat er deshalb inzwischen aufgegeben. Fußballverrückt seien allerdings auch die Sachsen.