Zurück zur alten Zeit?
Tun die Regierungen das Richtige zur Begrenzung und Überwindung der Krise? Nimmt man die Ergebnisse des jüngsten G20-Gipfels als Beispiel, so gehen die Meinungen weit auseinander. Dass sich die G20-Regierungschefs für ihre historische Leistung selber loben, ist noch am wenigsten überraschend. Doch auch viele Pressestimmen, von der britischen Financial Times über Die Zeit bis hin zur taz sehen viele positive Ansätze. Bleiben also nur die ewigen Nörgler Heiner Flassbeck, Attac und DIE LINKE?
Die Bewertung ist natürlich schwieriger geworden, seit mächtige Regierungschefs, wie zuletzt im Abschlusskommuniqué des G20-Gipfels, offen einräumen, ein »Versagen des Finanzsektors und der Finanzregulierung und -aufsicht« seien »zentrale Ursachen der Krise« gewesen. Wer wollte dem widersprechen? Aber: Was folgt aus solchen Einsichten? Die Notwendigkeit einer »einbeziehenden, grünen und nachhaltigen Wirtschaftserholung« klingt zwar einnehmend, ist aber letztlich nur eine wohlklingende Phrase.
Wo die G20-Chefs konkrete Schritte ankündigen, tritt schnell Ernüchterung ein. So ist der Kampf gegen die Steueroasen (G20: »Die Zeit des Bankgeheimnisses ist vorbei!«) schon nach wenigen Tagen vorbei: Die ohnehin lächerlich kleine Anzahl von nur vier Steueroasen, die die OECD letzte Woche auf eine schwarzen Liste gesetzt hatte, wurde diese Woche wieder gestrichen.
Viel problematischer als lauwarme Ankündigungen ist aber die grundlegende Zielrichtung des G20-Krisenmanagments. Es geht nicht um politische Veränderung nach vorne, sondern um eine Restauration der angeblich guten alten Zeit vor der Krise, mit schönen Wachstumsraten, freiem Welthandel, freiem Kapitalverkehr, aber etwas besser kontrollierten und stabileren Finanzmärkten. Die Regierungen zeichnen ganz bewusst ein nostalgisches Szenario, das weder funktioniert noch wünschenswert ist.
Die vermeintlich schönen Wachstumsraten und entsprechende Renditeerwartungen waren teilweise nur durch Blasen – d. h. übertriebene Steigerung von Preisen auf Aktien-, Immobilien- und Rohstoffmärkten – zu erreichen. Und: Von diesem Wachstum haben, in Deutschland wie im Rest der Welt nur die obersten 20 Prozent der Einkommensbezieher profitiert.
In der G20-Erklärung findet sich kein einziges Wort zur Verteilungsfrage, sie soll nicht gestellt werden. Gerade der gewerkschaftlichen Linken wird gerne vorgeworfen, sie renne einer falschen Nostalgie vom Wohlfahrtsstaat der 1970er Jahre in Westdeutschland hinterher. Wie viel unverschämter ist es da, Nostalgie zu schüren von der guten alten Zeit vor 2007, also der Zeit von Hartz IV, sinkenden Reallöhnen und baufälliger öffentlicher Infrastruktur?
Am anschaulichsten wird der Wille der Regierungen zur Restauration bei den Hoffnungsträgern: Ausgerechnet die schlimmsten Versager von gestern sollen die Krise meistern. Einerseits wird der IWF, das vielleicht beste Beispiel einer gescheiterten Institution, mit zusätzlichen 750 Milliarden Dollar Kreditlinien und Eigenmitteln aufgepäppelt. Andererseits wird das »Forum für Finanzstabilität«, das offensichtlich seinen Namen nicht verdient, zum »Direktorium für Finanzstabilität« aufgewertet und mit zusätzlichen Aufgaben betraut. »Forum für Finanzversagen aller Art« hätte es besser getroffen, aber eine weitere Umbenennung steht wohl erst bei der nächsten Krise an.
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