Sondergutachten: Energiemärkte im Spannungsfeld von Politik und Wettbewerb
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, Ausschussdrucksache 16 (9) 1641
- 54. Sondergutachten der Monopolkommission, gemäß § 62 EnWG, Bonn, 4. August 2009 -
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- Monopolkommission stellt erhebliche Wettbewerbsdefizite auf den deutschen Energiemärkten fest
- Monopolkommission fordert eine verlässliche und stabile Energiepolitik
- Monopolkommission legt umfassendes Konzept zur Förderung des Wettbewerbs auf den Energiemärkten vor
Im Strommarkt sieht die Monopolkommission insbesondere auf der Erzeugungsebene signifikante Wettbewerbsprobleme, welche durch eine hohe Marktkonzentration hervorgerufen werden. Die Hauptwettbewerbshindernisse im Gasmarkt resultieren zum einen aus der hohen Konzentration des Gasangebots auf wenige Unternehmen und zum anderen aus den fehlenden Zugriffsmöglichkeiten der Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden auf die Produktionsstufe. Die Monopolkommission trägt den zahlreichen daraus resultierenden energiewirtschaftlichen Problemen und ihren Interdependenzen mit einem umfassenden Konzept Rechnung. Sie gibt zahlreiche politische Handlungsempfehlungen.
Unabdingbare Voraussetzungen für die Wirksamkeit regulatorischer Eingriffe sind die Verlässlichkeit und die Stabilität allgemeiner Energiepolitik. Nur wenn bei der Umsetzung legitimer politischer Ziele anhand konsistenter ökonomischer Kriterien verfahren wird und administrative Markteintrittsbarrieren vermieden werden, bleiben Anreize für Zukunftsinvestitionen im Energiesektor erhalten. "Bei der konkreten Ausgestaltung muss das Hauptaugenmerk auf der Öffnung der Märkte und dem Abbau von strukturellen Markteintrittsbarrieren liegen", so der Vorsitzende der Monopolkommission, Justus Haucap.
Schwerpunkte des Sondergutachtens sind die Betrachtung der Großhandelsmärkte, der Märkte für Regel- und Ausgleichsenergie sowie des Managements von Kapazitätsengpässen in den Strom- und Gasnetzen. Zur Sicherung des Wettbewerbs auf den Großhandelsmärkten fordert die Monopolkommission die Einführung eines umfassenden Market Monitorings durch eine unabhängige Marktüberwachungsstelle. Im Gasmarkt ist hierüber hinaus eine erhebliche Steigerung der Marktliquidität essenziell. Regel- und Ausgleichsenergie, die von den Netzbetreibern für die Stabilität des Netzbetriebes benötigt wird, soll wettbewerblich gehandelt werden. Hierbei erkennt die Monopolkommission sowohl im Strom- als auch im Gasbereich noch deutliche Umsetzungsdefizite. Im Strombereich wird daher eine Zusammenlegung der vier deutschen Regelzonen unter einer unabhängigen zentralen Regelinstanz vorgeschlagen. Im Gasbereich sollen Festlegungskompetenzen der Bundesnetzagentur gestärkt und eine zentrale Handelsplattform eingerichtet werden. Dem europäischen Strombinnenmarkt stehen zahlreiche Kapazitätsengpässe an der deutschen Grenze entgegen. Die Monopolkommission fordert zu ihrer Bewirtschaftung die konsequente Anwendung geeigneter Auktionsverfahren. Prioritär ist hierbei die stets vollständige Auslastung der Grenzkuppelstellen. Im Gassektor dominieren Kapazitätsengpässe zwischen den Marktgebieten innerhalb von Deutschland. Der Abbau der Kapazitätsengpässe ist voranzutreiben, um zu einem einheitlichen deutschen Gasmarkt zu kommen. Die Monopolkommission sieht bisher Anzeichen für Kapazitätszurückhaltungen und geht daher davon aus, dass sich die Engpässe bei einer effizienten marktlichen Bewirtschaftung als nicht dauerhaft herausstellen werden. Die Erlöse aus der Engpassbewirtschaftung in den Energienetzen müssen nach Auffassung der Monopolkommission vollständig zur Reduktion struktureller Engpässe eingesetzt werden.
Ihrem gesetzlichen Auftrag entsprechend würdigt die Monopolkommission die Amtspraxis der Bundesnetzagentur. Sie fordert hierbei insbesondere die Einführung einer Qualitätsregulierung im Rahmen der kürzlich in Kraft getretenen Anreizregulierung, eine rigorose Ausführung der Entflechtungsvorschriften für die integrierten Energiekonzerne sowie eine beschleunigte Zusammenlegung der Marktgebiete im Gassektor. Die Arbeit der Monopolkommission wird derzeit erheblich dadurch erschwert, dass für die Amtspraxis zur Energiewirtschaft anders als beispielsweise zur Telekommunikation kein Einsichtsrecht in die Verfahrensakten bei der Bundesnetzagentur besteht.
Bei der Beurteilung der Wettbewerbsaufsicht durch die Europäische Kommission und das Bundeskartellamt äußert sich die Monopolkommission kritisch zu den ordnungspolitisch fragwürdigen Zusagenentscheidungen und der Anwendung der Preismissbrauchskontrolle gemäß § 29 GWB.
(Quelle: http://www.monopolkommission.de/aktuell_sg54.html)