Rede: Risikobegrenzungsgesetz und Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen (MoRaKG)
"So zielgenau wie eine Schrotflinte auf 500 Meter"
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
bei den beiden vorliegenden Gesetzentwürfen haben wir es mit einem äußerst widersprücklichen Paket zu tun. Einerseits will die Union über das MoRaKG Finanzinvestoren, dank Franz Müntefering unter dem treffenden Namen „Heuschrecken“ bekannt, weitere Steuersparmoelle eröffnen und verkauft das in der Öffentlichkeit als Förderung junger, klein- und mittelständiger Unternehmen. Die SPD wiederum, so war jedenfalls der Ursprung des Risikobegrenzungsgesetz, will den Anschein erwecken, dass sie genau diesen Finanzinvestoren nun ans Leder wolle.
Würden die Gesetze halten, was die Koalitionäre versprechen, wären sie ein absurder Widerspruch: Die Ampel für Finanzinvestoren würde gleichzeitig rot und grün leuchten.
Bei genauerem Hinsehen handelt die Koalition aber überhaupt nicht widersprüchlich, sondern macht sich zum Anwalt der Finanzinvestoren und begrenzt gleichzeitig die Risiken der Manager, von ungewollten feindlichen Übernahmen durch Finanzinvestoren überrascht zu werden.
Beide Gesetzesverfahren sind vor der aktuellen Finanzkrise angelaufen. Sie sind nun aber seit über einem Jahr auf dem Weg und die Koalition hat es nicht geschafft, auch nur kleinste Schlussfolgerungen aus dieser Finanzkrise in das Gesetz aufzunehmen.
Ein „Risikobegrenzungsgesetz“, das die in der Finanzkrise offensichtlich gewordenen Risiken mit keiner Silbe erwähnt, ist schlicht eine totale Blamage.
Unsere Fraktion hat schon im November 2007 in einem Aktionsplan „Finanzmärkte demokratisch kontrollieren, Konjunktur und Beschäftigung stärken“ erste Konsequenzen eingefordert. Wie lange wollen Sie denn noch abwarten?
Das MoRaKG ist eine Farce: Sie fördern nicht junge klein- und mittelständige Unternehmen, die Unterstützung wirklich gebrauchen könnten, sondern nur die Kapitalgeber solcher Unternehmen, nämlich bestimmte Private-Equity-Fonds, die durch Bereitstellung von Kapital diese Unternehmen fördern sollen. Und auch diese vermeintlich indirekte „Förderung“ ist darüber hinaus so zielgenau wie eine Schrotflinte auf 500 Meter:
· Die Förderung gilt für Fonds mit Beteiligungen an Unternehmen mit bis zu 20 Mio. Euro Eigenkapital, die bis zu 10 Jahre alt sein dürfen. Sie haben eine merkwürdige Vorstellung von jungen, kleinen Unternehmen! So befindet sich z.B. im Mittelstandspanel der KfW kein einziges Unternehmen, dass so viel Eigenkapital hat.
· Und die mangelnde Zielgenauigkeit geht weiter: um vom Gesetz zu profitieren, muss ein Private-Equity-Fonds nur 70% seines Kapitals in solche Unternehmen stecken, die restlichen 30% sind frei verfügbar, um heute auf Öl, morgen auf Aktien und übermorgen auf Weizen zu spekulieren.
Das ganze Gesetz mit seiner Befreiung von der Gewerbesteuer, mit den fortgesetzten Steuerprivilegien für die Fonds-Manager und die sogenannten Business Angel ist Nichts als ein riesiges Steuergeschenkpaket für Leute in Gehaltsklassen, wo sich Normalsterbliche gar nicht vorstellen können, was man mit soviel Geld anfangen soll.
Ich bin sehr gespannt, wie sie als angebliche Volksparteien Ihren Wählerinnen und Wählern in der Fußgängerzone erklären wollen, warum man einen Steuerfreibetrag für wohlhabende Manager auf das 22-fache erhöhen muss.
Nicht viel besser ist es um Ihr Risikobegrenzungsgesetz bestellt. Statt die Beschäftigten und Unternehmen vor der Auszehrung durch Heuschrecken zu schützen, leistet Ihr Gesetz hier praktisch gar nichts. Wir haben ihnen in unserem Antrag Beschäftigte und Unternehmen vor Ausplünderung durch Finanzinvestoren schützen (Drs. 16/7526) und in unserem Gesetzentwurf zur Stärkung der Arbeitnehmermitbestimmung bei Betriebsänderungen (Drs. 16/7533) ganz genau aufgezeigt, wie konkret und effektiv die Risiken von Finanzinvestoren beschränkt werden können – aber sie wollen das ja gar nicht.
Es mag ja Einzelfälle geben, wo Beteiligungskapital einen sinnvollen und sozialverträglichen Beitrag spielen kann, aber das können am besten die Beschäftigten einschätzen, die um die Gefährdung ihrer Arbeitsplätze wissen. Keine Heuschrecke soll ein Unternehmen gegen den Willen der Belegschaft übernehmen dürfen, dann wäre schon sehr viel gewonnen. Wie man das juristisch umsetzt, können sie lizenzgebührenfrei gerne aus unserem Gesetzesentwurf abschreiben.
Der jüngste spektakuläre Fall ist die Ausschlachtung des Modekonzerns Hugo Boss durch den Finanzinvestor Permira. Permira hat durchgesetzt, dass Boss 350 Mio. Euro neue Schulden aufnimmt, damit gleichzeitig 450 Mio. Euro Dividende an die Investoren ausgezahlt werden können. Nachher wird den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dann gesagt, wegen der hohen Verschuldung des Unternehmens müsse nun der Gürtel enger geschnallt, die Lohntüte verkleinert und die Arbeitszeit verlängert werden.
Das Geschäftsmodell Private-Equity ist untrennbar mit dem Einsatz von Kredithebeln verbunden.
Wir fordern:
– Kredite an Private-Equite-Fonds seitens der Banken müssen mit mehr Eigenkapital unterlegt werden müssen, damit sie teuerer werden und damit das Geschäftsmodell Heuschrecke unattraktiver wird.
– Das nachträgliche Aufbürden der Kredite auf das übernommene Unternehmen muss untersagt werden, kreditfinanzierte Ausschüttungen wie im Fall Boss müssen verboten werden.
– Die Einflussmöglichkeiten neu einsteigender Anteilseigner sollen begrenzt werden, indem die Stimmrechte für Aktionäre, die ihre Aktien seit mindestens zwei Jahren halten, doppelt gewichtet werden.
Private-Equity-Fonds sollen zukünftig grundsätzlich gewerbesteuerpflichtig sein und auch sämtliche anderen Steuerprivilegien, wie z.B. Carried-Interest-Regelungen, sind abzuschaffen. Auch eine stärkere Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Unternehmen bzw. Anteilen sind wirksame Instrumente, um dem Geschäftsmodell Heuschrecke das Wasser abzugraben.
Damit kommen wir zur Wurzel des Übels: Private-Equity-Fonds sind Ausdruck der Tatsache, dass Multi-Millionäre und Milliardäre nach immer neuen Wegen suchen, aus unendlich viel Geld noch unendlich viel mehr Geld zu machen. Mittelfristig kann nur eine radikale Umverteilung von Einkommen und Vermögen den Anlagedruck auf den Finanzmärkten verringern. Die Hypotheken-Blase in den USA ist geplatzt, nun drängen die Anleger in die Rohstoffe und Nahrungsmittel. Bei den aktuellen Spekulationen mit Weizen und Reis wird auf makaberste Weise deutlich, wie die systematische Gier der Reichen nach immer noch mehr die Armen in den Entwicklungsländern buchstäblich in Elend und Tod treibt.
Eine andere Tragödie, wenn auch zum Glück nicht tödlich, spielt sich seit jüngerer Zeit für viele kleine Häuslebauer in Deutschland ab. Menschen, die sich für Wohneigentum verschuldet haben und mit allem Einsatz ihre monatlichen Zahlungen leisten, stellen plötzlich fest, dass ihr Kredit ohne ihr Wissen z.B. an einen Finanzinvestor weiterverkauft wurde und dieser ihnen per Zwangsvollstreckung über juristische Tricks die eigenen vier Wände buchstäblich unter den Füßen wegzieht. Durch die nachträgliche Hereinnahme der Thematik Kreditverkäufe ins Risikobegrenzungsgesetz haben Sie die Hoffnungen vieler Menschen geweckt, dass dieses Unrecht endlich aufhört.
Das Gesetz bringt tatsächlich einige wenige Verbesserungen aus Sicht des Verbraucherschutzes, springt aber viel zu kurz. Die Hoffnungen der meisten vorgenannten Menschen werden herb enttäuscht. Mit unserem Antrag „Ausverkauf von Krediten an Finanzinvestoren stoppen – Verbraucherrechte stärken“ (Drs. 16/8182) stellen wir deutlich weitergehende und von vielen Verbraucherschützern und Fachleuten geteilte Forderungen auf. Der Weiterverkauf von Krediten lässt sich nur mit einem gesamtwirtschaftlichen Argument gegen den Verbraucherschutz begründen, nämlich um Kreditrisiken zwischen verschiedenen Banken besser auszugleichen und Klumpenrisiken zu vermeiden. Damit wird aber schon deutlich, dass aus systemischer Sicht nur ein Weiterverkauf zwischen Kreditinstituten Sinn macht. Die Möglichkeit des Weiterverkaufs von Krediten an Nicht-Banken bzw. Finanzinvestoren befördert von vornherein die Haltung, dass man als Bank immer eine windige Heuschrecke findet, an die man einen unbequemen Kunden verkaufen kann. Diese Auslieferungsmöglichkeit ist aber der Ruin einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Banken und ihren Kunden. Die US-Subprimekrise mit ihren Drückerkolonnen von Kreditvermittlern ist ein traurig anschauliches Beispiel, wohin diese Erosion des Kreditgeschäfts führt. Eine Bank will, dass ein Immobilienkredit bis zum Ende abbezahlt wird. Ein Finanzinvestor spekuliert vielmehr auf die zugrundeliegende Sicherheit und ist an einer langfristigen Kundenbeziehung überhaupt nicht interessiert. Warum auch? Wir fordern, dass die Abtretung von Darlehensforderungen an Nichtbanken verboten wird. Außerdem müssen Kreditnehmer viel umfassender und früher über geplante Kreditverkäufe informiert werden und ein außerordentliches Kündigungsrecht im Falle einer Forderungsübertragung bekommen.
Die Koalition behauptet seit letzter Woche, das BMJ hätte alle in den Medien skandalisierten Fälle von Kreditverkäufen geprüft und festgestellt, dass alle Medienberichte falsch und unsachgemäß gewesen seien. Diese Ignoranz schlägt dem Fass den Boden aus. Wir alle, da bin ich mir sicher, haben in den vergangnen Monaten eine hohe Zahl von verzweifelten Briefen von Immobilienschuldnern und ihren Anwälten bekommen, in denen sie ihre Fälle klar darlegen. Gerade gestern hat uns noch ein Brief des Generalsekretärs des Zentralverbands des deutschen Handwerks, Hanns-Eberhard Schleyer, erreicht, in dem er auch noch einmal Fälle von Handwerksbetrieben benennt, wo Kredite trotz ordnungsgemäßer Bedienung weiterverkauft worden sind.
Damit komme ich zum Ausgangspunkt der Kritik an den beiden Gesetzentwürfen zurück: beide ziehen keinerlei wirkliche Konsequenzen aus der aktuellen Finanzkrise. Die mangelnde Beschränkung von Kreditverkäufen war ein zentraler Grund für die Hypothekenkrise in den USA. Dort sind die Regulierungen für Kreditverkäufe zwar noch lascher als in Deutschland, aber ohne eine klare Richtungsentscheidung zur Regulierung der Kreditverkäufe bewegt sich Deutschland auf amerikanische Verhältnisse zu. Warum verweigern Sie sich einer solchen klaren Richtungsentscheidung?
Wir fordern sie auf, das Gesetz im Sinne unseres Antrags und vor allem in Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher nachzubessern. Wann, wenn nicht jetzt, wollen Sie Konsequenzen aus der Finanzkrise ziehen. Wir groß muss der Vertrauensverlust der Bürgerinnen und Bürger in die Politik und ihren Willen zur Vermeidung von Wirtschaftskrisen denn noch gehen. In diesem Sinne fehlt ihrem Risikobegrenzungsgesetz leider der wirkliche Wille zu einem Kurswechsel bei der Regulierung der Finanzmärkte.