Operation Bilanzverschönerung
Der HSH-Sumpf und die Verschleuderung öffentlicher Gelder
Seit Monaten kommt die HSH Nordbank nicht aus den Schlagzeilen. Auch etlichen anderen Landesbanken geht es ökonomisch-finanziell schlecht. Alle sind bis heute tief in die Krise des Finanzmarktes verstrickt. Die Verwandlung einer Regionalbank, die mit einer Gemeinwohlorientierung auf die Förderung der regionalen Unternehmenslandschaft ausgerichtet war, in eine Kapitalmarktbank führte zum Aufbau von Wertpapiergeschäften, die in der Folge der Verwerfungen auf den Finanzmärkten seit dem Frühjahr 2007 mit großen Verlusten abgeschrieben werden müssen.
Die WestLB, die HSH Nordbank und die BayernLB zählen zu jenen deutschen Banken, die in der Finanzkrise am stärksten gelitten haben. Nachdem die Institute im Vorjahr noch vor allem durch strukturierte Wertpapiere belastet worden waren, schlägt nun auch die Wirtschaftskrise ins Kontor. Diese Banken drängen beim Sonderfonds zur Bankenrettung (SoFFin) auf weitere Gelder, weil sie nur durch öffentliche Mittel um eine staatlich organisierte Insolvenz herum kommen. Bei der HSH Nordbank kommen weitere Aspekte hinzu, die immer wieder zu kritischen Schlagzeilen führen.
Zunächst: Die Führung der Bank (Vorstände und Aufsichtsrat) stehen im Verdacht, Ende 2007 eine Bilanzverschönerung oder Bilanzfälschung betrieben zu haben. Es geht um die These, dass die Bank eigentlich schon zu einem frühen Stadium der Finanzkrise am Ende war. Durch Aufhübschung der Bilanz konnte der Zustand verschleiert werden. Nach dem Konkurs der US-Großbank Lehman im September 2008 trat der trostlose Zustand bei der HSH Nordbank zutage und führte zu höheren Verlusten, die bei einem frühzeitigen Gegensteuern hätten minimiert werden können.
Diese Operation Bilanzverschönerung ordnet sich in eine mehr als schlampige Geschäftsführung ein. So haben die mit einer Sonderprüfung beauftragten Wirtschafts- und Bilanzprüfer für das Jahr 2008 der Geschäftsführung 398 mehr oder minder gravierende Verstöße gegen eine ordnungsgemäße Geschäftsführung vorgehalten.
"Omega" ist die Bezeichnung für eines der Geschäfte zur Frisierung der Bilanz. Insgesamt wurden damals rund 17 Mrd. Euro in Kreislaufgeschäfte geschickt, um die Kapitaldeckung für Risikogeschäfte geringer ausweisen zu können. "Omega" war eine solche Transaktion mit der französischen Bank BNP Paribas, bei der die HSH Nordbank kurz vor Jahresabschluss 2007 Kreditrisiken in Höhe von 1,975 Mrd. Euro in Briefkastenfirmen verschob. Die Transaktionen dienten der Verbesserung der genannten Quoten zum Jahresultimo.
Die Presse verweist auf einen Bericht des Risikoausschusses, in dem eine ganze Reihe ähnlicher Kreditsicherungsgeschäfte notiert werden. Dank solcher Deals konnte die Nordbank finanzrechtliche Auflagen umgehen, nach denen Institute einen Teil der ausgereichten Kredite mit eigenem Kapital gegen Ausfall sichern müssen. So wundert es nicht, dass die beiden Banken kurz nach Bilanzschluss im Frühjahr 2008 ihre Milliardenkredite bereits wieder zurückholten.
Mittlerweile hat die Bank ergänzend zur jährlichen Prüfung durch die Anwaltskanzlei Freshfield u.a. Pflichtverletzungen von vier Vorstandsmitgliedern festgestellt. Die Frage der strafrechtlichen Konsequenzen und der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen sind noch ungeklärt.
Ein Punkt der Auseinandersetzung ist: War auch der Vorstandsvorsitzende Nonnenmacher in die Bilanzverschönerung verstrickt? Am 7. April 2008 berichtete der damalige Finanzvorstand und heutige Bankchef Nonnenmacher vor Aufsichtsräten über die Omega-Transaktion. Offensichtlich hat Herr Nonnenmacher seinen Bericht auf eine falsche Ausarbeitung gestützt und nun geht es darum, ob er als Mitglied des Vorstands diese Unzulänglichkeiten hätte erkennen können und müssen. Das Risikomanagement der Bank hatte den Deal im Dezember 2007 zwar grundsätzlich als "akzeptabel" freigegeben, intern gegenüber dem Vorstand allerdings auch angemahnt, die Prüfungszeit sei angesichts der komplexen Transaktionen zu kurz gewesen.
Gestützt auf das Gutachten der Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, auf dessen Basis der Aufsichtsrat der HSH Nordbank kürzlich zwei Vorstände entlassen hat, wird Nonnenmacher nun durchaus eine Beteiligung an der Bilanzverschönerung zugesprochen. Die Bank gibt an, bei der Aufsichtsratssitzung habe Nonnenmacher damals kurzfristig den eigentlich zuständigen Risikovorstand vertreten müssen. Bei der Präsentation habe es sich nicht um seine eigenen Berechnungen gehandelt. Eine Pflichtverletzung von Nonnenmacher habe nicht vorgelegen, obwohl er eine fehlerhafte Entscheidungsgrundlage vorgetragen habe.
Er habe unter starken Zeitdruck gestanden, sei noch nicht richtig eingearbeitet gewesen und habe sich im übrigen auf seine Mitvorstände verlassen müssen. Der dafür zuständige Kapitalmarktvorstand Friedrich, Risikovorstand Strauß sowie Vize-Vorstandschef Rieck hätten ihre Kollegen vielmehr nicht hinreichend über die wahren Risiken informiert.
Die Bank geht davon aus, dass die Mängel dieses Geschäftes nicht derartig offensichtlich waren, dass sie den Vorständen zwingend ins Auge hätten fallen müssen. Mit anderen Worten: Eigentlich beherrscht Herr Nonnenmacher sein Geschäft nicht!
Der jetzige Aufsichtsrat weist jedwede Kritik an Vorstandschef Nonnenmacher zurück: Das Gutachten der Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer habe Vorgänge und Verantwortlichkeiten der vergangenen Geschäftsjahre intensiv aufgearbeitet. Die Inhalte des Gutachtens wurden nach Vorlage vom Aufsichtsrat bewertet. Der Aufsichtsrat hat vor diesem Hintergrund dem Vorstandsvorsitzenden das volle Vertrauen ausgesprochen und neue Vorstände berufen. Es gäbe keine neuen Erkenntnisse.
Sollten allerdings vier ehemalige Vorstände wegen Verschönerung der Bilanz straf- und privatrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, werden weder Herr Nonnenmacher noch die damaligen Aufsichtsräte mit der von Freshfield entwickelten Ausrede um eine Mithaftung herum kommen.
Neben der Frage, wer in die Operation Bilanzverschönerung verwickelt war und für die daraus neben den Verlusten aus den Casino-Operationen entstandenen Schäden haftet, geht es um weitere unsaubere Geschäfte nach Ausbruch der Krise.
Die HSH Nordbank ist durch die Finanzkrise in schwere Turbulenzen geraten. Deshalb wurde zur Sanierung die Trennung in eine Kern- und eine Abbaubank beschlossen. Bei der Abbaubank handelt es sich um eine Abwicklungsbank für faule Finanzpapiere und auslaufende Geschäfte. Hamburg und Schleswig-Holstein haben ihre Landesbank mit 3 Mrd. Euro gerettet und halten 86% an ihr.
Die Europäische Kommission unterzieht nun das Rettungspaket für die HSH Nordbank einer vertieften Untersuchung. Sie will prüfen, ob die Eigentümer der Bank, die sich nicht an den Rettungsmaßnahmen beteiligt haben - die Sparkassen und die neun von J.C. Flowers vertretenen Investorengruppen -, unverhältnismäßig stark von der Kapitalzufuhr profitiert haben. Die EU-Kommission bemängelt nämlich die Festsetzung des Aktienpreises, der bei der Kapitalaufstockung zugrunde gelegt wurde.
Die Aktie war im Mai 2009 bestenfalls 10 Euro wert. Der Preis wurde aber letztlich auf 19 Euro festgesetzt, was für die öffentlichen Eigentümer auf ein Geschenk an den Finanzinvestor Flowers und die Sparkassen hinauslief. Die EU-Kommission hat weiter Zweifel daran, "ob das Geschäftsmodell der HSH langfristig tragfähig ist" und, ob die Nordbank in einigen Jahren wieder schwarze Zahlen schreibt.
Diese Verschleuderung von öffentlichen Geldern nach Eintritt des Supergaus ist noch unappetitlicher. Die Minister- bzw. Senatorenriege, die unter dem damaligen Hamburger Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) für die Aufsicht der Geschäfte verantwortlich war, versagte erneut und hat in einem erheblichen Umfang öffentliche Mittel zum Fenster herausgeworfen.
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