Friede dem guten Gelehrten
Nachruf von Simon Zeise für den Bundesvorstand Die Linke.SDS
Am Samstag vor einer Woche ist Jörg Huffschmid mit 69 Jahren gestorben. Er war einer der bedeutendsten marxistischen Ökonomen unserer Tage. 1969 erschien sein unter Studenten viel beachtetes Werk »Die Politik des Kapitals«. Damals war er gerade 29 Jahre alt.
Es gab nicht viele neben Huffschmid, die die Funktionsweisen des Kapitalismus detailliert benennen und seine Krisenerscheinungen offenlegen konnten. Hätten die führenden Politiker hierzulande die Erkenntnisse Huffschmids aufgegriffen, wären sie nicht in die heutige Wirtschaftskrise geraten. Denn bereits 1999 warnte er in seinem gleichnamigen Werk vor der »Politik der Finanzmärkte«.
Huffschmid lehrte bis zu seiner Emeritierung an der Universität Bremen, die 1971 mit dem Anspruch einer Reformuniversität gegründet wurde. Auch ihm war es zu verdanken, daß die Universität lange als »rote Kaderschmiede« galt. Um dem in der neoklassischen Ökonomie verhafteten »Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage« etwas entgegenzusetzen, gründete Huffschmid, zusammen mit Rudolf Hickel und Herbert Schui, die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftpolitik. Jedes Jahr veröffentlichten sie ein Memorandum gegen den wirtschaftspolitischen Mainstream. Zu Zeiten kritischer Medienberichterstattung fand das jährliche Gutachten auch Erwähnung in überregionalen Tageszeitungen.
Aber Jörg Huffschmid war nicht allein Ökonom, er mischte sich ein. Er war Mitglied im Parteivorstand der DKP, aus der er Ende der 80er Jahre austrat, um sich etwas später dem globalisierungskritischen Netzwerk ATTAC anzuschließen.
Zwar erkannte Huffschmid die globalen Zusammenhänge der politischen Ökonomie, doch zeigte er auch konkrete Handlungsoptionen auf. In seinem Buch »Reformalternative. Ein marxistisches Plädoyer« trat er 1988 für »Abrüstung, Friedensfähigkeit, Verantwortung für die globalen Probleme, soziale Modernisierung und Demokratisierung« vor dem Hintergrund eines »authentischen Marxismus« ein. »Der Klassenkampf von unten, der soziale, ökonomische und demokratische Interessenkampf« sollte stets »eine realistische Perspektive« vor Augen haben.
Im Mai 2007 rief Huffschmid zusammen mit 100 Intellektuellen und Wissenschaftlern öffentlich dazu auf, einen neuen sozialistischen Hochschulverband zu gründen. Einige Tage später wurde Die Linke.SDS aus der Taufe gehoben. Der Sozialistisch-Demokratische Studierendenverband ist noch jung. Im letzten Jahr starteten wir eine bundesweite »Kapital«-Lesebewegung. Wir lasen den ersten Band des »Kapitals« von Karl Marx, um den globalen Kapitalismus später einmal an der Wurzel fassen zu können und junge kritische Wissenschaftler zurück an die Universitäten zu bringen – kritische Wissenschaftler wie Jörg Huffschmid. Sein Werk wird uns noch viele Fragen erläutern. Sein politisches Wort wird uns fehlen. Friede diesem guten Gelehrten.