Tobin-Tax: Nachholende Gerechtigkeit
Heilmittel oder Teufelszeug: Welche Chancen hat die Tobin-Tax? SPD und Linkspartei haben im Bundestag Anträge vorgelegt, die Koalition muss international Farbe bekennen
Ein Linker war James Tobin eigentlich nicht. Globalisierungsgegner „missbrauchen meinen Namen“, hatte der Träger des Wirtschaftsnobelpreises noch einige Monate vor seinem Tod im Jahr 2002 in einem Interview zu Protokoll gegeben. Es sei ein Anhänger des Freihandels und habe „nicht das Geringste mit diesen Anti-Globalisierungs-Revoluzzern gemein“, die das von ihm erarbeitete Steuermodell vor sich her trügen.
Die Globalisierungskritiker lies diese Schelte allerdings kalt. Zu verlockend war Tobins Vorschlag, weltweit eine Steuer einzuführen, die auf alle Devisengeschäfte erhoben würde. Ziel des Ökonomen war es damals, kurzfristige Spekulationen auf Landeswährungen unattraktiver zu machen und so Währungsschwankungen zu verhindern. Die Globalisierungsgegner verfolgten dagegen einen anderen Ansatz: Die Erträge aus der Tobin-Steuer sollten genutzt werden, um Entwicklungshilfe zu finanzieren. Diese Forderung mündete schließlich 1998 in die Gründung des Netzwerkes Attac – ein Akronym für „Association pour une taxe Tobin pour l‘aide aux citoyens“, zu deutsch: „Vereinigung für eine Tobin-Steuer zum Nutzen der Bürger“.
All das ist lange her. Doch im Rahmen der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise erlebt die Tobin-Steuer eine unerwartete Renaissance. Auf dem G20-Gipfel von Pittsburgh setzten sich gleich mehrere europäische Staaten für eine weltweite Abgabe auf sämtliche Geschäfte auf den Weltfinanzmärkten ein. Beim nächsten Gipfel im Herbst soll das Thema wieder auf die Tagesordnung.
Streit in der Regierung
Wie Deutschland sich dann allerdings verhalten wird, ist derzeit noch offen. Zwar unterstützt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine internationale Finanztransaktionssteuer und weiß ihre Partei in diesem Punkt auch hinter sich. Erst kürzlich bekräftigte Fraktionschef Volker Kauder in einem Interview, dass es nicht sein könne, dass die Banken weitermachen wie bisher. Sie müssten „ihrer Verantwortung für die von ihnen angerichteten Schäden gerecht werden“.
Doch der Koalitionspartner FDP will scheinbar nicht mitziehen. Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel erteilte der Abgabe erst kürzlich eine Absage. Sie sei nicht Teil des Koalitionsvertrages und werde es deshalb auch in dieser Legislaturperiode nicht geben. Merkel rief ihren Minister daraufhin öffentlich zur Ordnung. Seitdem belauern sich die Koalitionspartner. Auch in diesem Punkt gibt die Regierung bislang kein einheitliches Bild ab.
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