Finanzmarkt: Fehlanreize für Ratingagenturen
Böckler Impuls 07/2010
Die EU und die Bundesregierung wollen Ratingagenturen strenger kontrollieren. Den wichtigsten Punkt tasten sie dabei aber nicht an: den Anreiz, Investmentbanken und Fondsmanagern Gefälligkeitsgutachten zu erstellen.
Irreführende Ratings waren eine wichtige Ursache der Finanzkrise. Die großen Ratingagenturen Standard & Poor's, Moody's und Fitch hatten etlichen Wertpapieren gute Qualität attestiert, die heute gemeinhin als toxisch bezeichnet werden. Und obwohl sie zahlreiche Anleger zum Kauf wertloser Papiere verleiteten, ist ihr Einfluss ungeschmälert: Noch immer entscheiden die Gutachten der drei Agenturen darüber, wie teuer es für Staaten und Unternehmen wird, wenn sie sich am Kapitalmarkt Geld besorgen.
Mehr Schutz vor trügerischen Ratings, das will die europäische Politik nun durch Regulierung gewährleisten. EU-Parlament und der Rat haben eine Verordnung zu Ratingagenturen verabschiedet, das Bundeskabinett hat im Januar den Entwurf eines Ausführungsgesetzes dazu beschlossen. Bis 2011 soll die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Ratingagenturen kontrollieren, danach eine europäische Wertpapieraufsichtsbehörde. Was damit erreicht werden kann, haben die Politikwissenschaftler Nicolai Dose und Oliver Buntrock für die Hans-Böckler-Stiftung untersucht. Die Regulierungsexperten äußern sich nach ihrer steuerungstheoretisch untermauerten Analyse skeptisch: Die EU-Verordnung und das deutsche Gesetz werden die Ratings nicht verbessern. "Vor der Krise und auch nach der nun erfolgten europäischen Regulierung arbeiteten und arbeiten die Marktkräfte gegen zuverlässige Ratings", so die Studie.
Das entscheidende Problem werde durch die Regulierung nicht beseitigt, bemängeln Dose und Buntrock: der Anreiz, Investmentbanken und Fondsmanagern gefällige Gutachten zu erstellen. Der Emittent eines Wertpapiers vergütet die Agentur für das Rating - und wer ein Wertpapier verkaufen will, der wünscht sich vor allem eine gute Einstufung, weniger eine saubere Bewertung der Risiken. Folglich haben die Agenturen einen Anreiz zu nicht immer objektiven Gutachten. Fällt aber die Einschätzung der Ratingagentur nicht korrekt aus, dann weiß der Käufer nicht, worauf er sich einlässt. Sein Informations-Defizit gegenüber dem Verkäufer bleibt bestehen. Die Regulierungsexperten empfehlen darum, das Bezahlsystem zu ändern. Die Emittenten von Wertpapieren sollten nicht mehr wählen dürfen, wer das Rating vornimmt - das sollte eine Aufsichtsbehörde festlegen. Die Kosten der Ratings können weiter vom Emittenten getragen werden.
Die auf den Weg gebrachte Regulierung sieht stattdessen vor, dass Wirtschaftsprüfer im Auftrag der Aufsichtsbehörde die laufende Arbeit der Ratingagenturen kontrollieren. Die Wissenschaftler halten das für sehr aufwändig und wenig effektiv. Außerdem gebe es nur wenige für die Aufgabe qualifizierte Wirtschaftsprüfer, darum könnten sich leicht "klientelistische Beziehungen" zwischen Prüfern und Ratingagenturen bilden. Die europäische Verordnung und das deutsche Umsetzungsgesetz enthielten zudem etliche unbestimmte Rechtsbegriffe. So heißt es, die Abgabe eines Ratings solle nicht von Interessenkonflikten beeinflusst sein - aber es wird nicht gesagt, was konkret hierunter zu verstehen ist. Und es gibt kaum Abschreckung: Die im Gesetz vorgesehenen Sanktionen seien angesichts der enormen Gewinnmargen der Agenturen viel zu gering. Bei Regelverstößen drohen den Firmen lediglich Bußgelder. Einen echten Effekt hätten dagegen individuelle Sanktionen, beispielsweise als Straftatbestand mit bis zu drei Jahren Gefängnis.
Die EU-Verordnung und das deutsche Ausführungsgesetz basieren auf der Einschätzung der EU-Kommission, der oligopolistische Markt sei das Problem. Dieser Eindruck liegt nahe, da sich nur drei Agenturen fast den gesamten Weltmarkt teilen. Doch Nicolai Dose, Politik-Professor in Siegen, und Oliver Buntrock argumentieren anders: Gerade der Wettbewerb zwischen den Agenturen habe zu den Fehlurteilen geführt, weil es sich dabei nicht um den gewünschten "Wettbewerb um zuverlässige Informationen, sondern um eine möglichst wohlwollende Bewertung" gehandelt habe.
Daran werde sich wenig ändern. Das vorliegende Regelwerk sei derart "zahnlos, so dass es aus Sicht der Betroffenen gar nicht notwendig war, massiven Widerstand vorzubringen", schreiben Buntrock und Dose. Dem "ungeheuren Aufwand, die Folgen der Finanzkrise aufzufangen", stehe weiter nur wenig Entschlossenheit gegenüber, wirksame Maßnahmen zur Krisenprävention zu schaffen.
Ähnliche Artikel
- 06.05.2010
Gregor Gysi, DIE LINKE: Banken und Spekulanten an Kosten beteiligen
- 28.04.2010
- 13.04.2010
Die Kapitalmärkte regulieren! Aber was würde welche Regulierung helfen?
- 20.03.2010
- 11.03.2010