Euro-Krise – wie weiter?
Von Christa Luft, Neues Deutschland
Mit der Vereinigung Deutschlands nahm dessen wirtschaftliches Gewicht in Europa zu. Damit befürchtete Frankreich eine Verschiebung der politischen Kräftebalance. Es verlangte eine Art Kompensation, den Verzicht auf die Deutsche Mark – mit der faktischen Rolle als Leitwährung – zugunsten eines europäischen Gemeinschaftsgeldes. Der damalige Bundeskanzler Kohl sah darin die unumkehrbare Einbindung des Landes in Europa. Der Euro sollte ein Friedens- und Wohlstandsprojekt werden.
Anfangs brachte die Währungsunion allen Beteiligten Gewinne: Die einen – Italien, Portugal, Irland oder Griechenland – profitierten von sinkenden Zinsen. Andere – darunter Deutschland – waren von Wechselkursschwankungen befreit, unter denen ihre Exportfirmen oft gelitten hatten.
Seit der Finanzmarktkrise explodieren in den meisten Euro-Ländern die Staatsschulden. Spekulanten witterten die Chance, einzelne Defizitsünder zu attackieren. Es mussten Rettungsschirme aufgespannt werden, eine Transferunion aber war nie Teil der europäischen Idee.
Dem Euro, der »Krone« des gemeinsamen Marktes, fehlt die Verankerung in einer echten Wirtschaftsunion mit abgestimmten Mindeststandards in der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Steuerpolitik. Die Stabilisierung des Euro erfordert mehr als die Androhung härterer Sanktionen gegenüber hoch verschuldeten Ländern oder noch größere Rettungsschirme. Das wären Panikmaßnahmen ohne langfristig positiven Effekt. Leiden würde die Akzeptanz der europäischen Integration.
In Griechenland, Irland und auch Portugal gibt es bereits Revolten gegen unsoziale Sparpakete, die dem Euro angelastet werden. In Deutschland wird besorgt gefragt, warum es »Zahlmeister Europas« sein soll. Überall nimmt die Furcht zu, der Euro könnte an Wert verlieren.
Vorschläge, einzelne klamme Länder sollten die Euro-Zone verlassen oder die Gemeinschaftswährung solle in einen harten Nord- und einen weichen Süd-Euro zerlegt werden, sind abwegig. Wie sollen aufgelaufene Schulden zurückgezahlt werden? Im harten Euro? Damit würden sich die Schulden der finanzschwachen Südländer vervielfachen. Im weichen Euro? Davon wären als Gläubiger auch deutsche Banken und Pensionsfonds betroffen, die ausländische Staatsanleihen en gros halten. Abermals käme der Ruf nach Rettung mit Steuergeld. Das wäre kostspieliger als die finanzielle Beteiligung der führenden europäischen Exportnation an der Stabilisierung der Währungsunion.
Eine Splittung des Euro würde auch aus Furcht vor Wertverlust vor allem Südeuropäer zur Kontenräumung und zu Geldtransfers veranlassen. Die Flucht internationaler Anleger aus unsicheren Staatsanleihen und ein Run auf Investments in dollarnotierte Rohstoffe sowie Gold wären die Folge. Das würde die Gemeinschaftswährung schwächen.
Soll die Euro-Zone nicht zerbrechen, ist die Zurückdrängung nationalistischer Ansätze zugunsten einer sozial orientierten Koordinierung unabdingbar. Das schließt gemeinsame Euro-Anleihen ebenso ein wie die Mithaftung privater Gläubiger oder einen Modus zur Vermeidung ausufernder Außenhandelsungleichgewichte. Krisenländer brauchen mehr Zeit für die Sanierung ihrer Haushalte. Eine direkte, weil günstigere Kreditbeschaffung bei der Europäischen Zentralbank kann dabei helfen.
Ein Scheitern der Europäischen Währungsunion wäre politisch ein Desaster und wirtschaftlich teurer als im Kompromiss zu findende Konsolidierungsmaßnahmen.
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In der wöchentlichen ND-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.
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Zusätzliche Empfehlung zum Thema:
Mark Schieritz in der ZEIT Online v. 23.12.2010
Geld allein wird den Euro nicht rettenAuch der jüngste Krisengipfel hat die Finanzmärkte nicht beruhigt. Jetzt muss ein Befreiungsschlag her.
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