Am Sonntag wählt Baden-Württemberg einen neuen
Landtag – werden CDU und FDP angesichts der Katastrophe in
Japan über ihre Atompolitik stolpern?
Das von der Bundesregierung verfügte Moratorium ist noch
längst kein Ausstieg. In Baden-Württemberg müssen
die Atomkraftwerke (AKW) Neckarwestheim I und Phillipsburg I auf
jeden Fall abgeschaltet bleiben, die anderen müssen folgen.
Dafür brauchen wir aber eine neue Landesregierung, die
Ära von Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) muß
beendet werden.
Das Land ist seit kurzem Miteigentümer des
Energiekonzerns EnBW, der ja auch AKW betreibt. Kann eine neue
Landesregierung über diesen Hebel eine andere Atompolitik
durchsetzen?
Der Tsunami und das Erdbeben haben in Japan Hunderttausenden
Menschen zwar die Apokalypse gebracht – gleichwohl ist dieser
Atomunfall aber von Menschenhand gemacht. Er zeigt, wie wenig
beherrschbar AKW sind, daran ändern alle Beteuerungen nichts.
Die Beteiligung an diesem Konzern wurde von Mappus am Parlament
vorbei durchgezogen, auf Pump und viel zu teuer. Sie darf jetzt
nicht an der Börse verzockt werden – vielmehr muß
der Konzern bei der auch von uns geforderten Energiewende
vorangehen.
Die Linke liegt zur Zeit in den Umfragen bei vier Prozent,
denken Sie, daß Sie den Einzug in den Landtag
schaffen?
Natürlich werden wir den Einzug schaffen. Es gibt ja auch
Umfragen, in denen wir bei fünf Prozent oder darüber
liegen. Die brauchen wir auch, denn nur mit der Linkspartei im
Landtag können wir es schaffen, daß Mappus geht.
Grüne und SPD scheuen sich – auch mit Blick auf
Ihre Partei –, eine Koalitionsaussage zu treffen. Wie stehen
Sie zu einer gemeinsamen Regierung mit diesen beiden
Parteien?
Bevor wir über mögliche Koalitionen reden, müssen
wir erst einmal in den Landtag einziehen. Vorher macht das wenig
Sinn. Wenn wir unser Ziel erreicht haben, können wir aber nur
in einer Koalition arbeiten, die unsere Positionen auch in einem
guten Koalitionsvertrag festhält.
Da müßten dann Aussagen drin stehen wie etwa der Stopp
weiterer Privatisierungen, das Verbot des Abbaus von
Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst oder die sofortige
Einstellung der Umbauarbeiten am Hauptbahnhof. Oder die Forderung
nach längerem gemeinsamen Lernen in den Schulen.
Das einzige, was wir sicher ausschließen können, ist
eine Koalition mit der CDU, der FDP oder anderen rechten Parteien.
Ist das Bahnhofsprojekt »Stuttgart 21« noch zu
stoppen?
Natürlich. Das von Fachleuten ausgearbeitete Gegenkonzept
»K21« sieht einen modernisierten Kopfbahnhof vor, der
viel leistungsfähiger sein wird. Dieses Konzept wird nach der
Landtagswahl durchgesetzt.
Und wenn Schwarz-Gelb doch an der Regierung
bleibt?
Die Protestbewegung in Baden-Württemberg ist viel zu stark,
als daß die CDU nach 58 Jahren noch an der Regierung bleiben
könnte. Sollte das aber doch passieren, wird sie die Kraft der
Menschen im Land kennenlernen. Die Vergangenheit hat gezeigt,
daß der Widerstand gegen »S21« so gut organisiert
ist, daß er das Projekt stoppen kann. Unsere Aufgabe
würde es sein, der Bewegung im Parlament eine Bühne zu
bieten.
Was sind Ihre Schwerpunkte im Wahlkampf und darüber
hinaus?
Neben einer Umverteilung von oben nach unten ist für mich die
Bildungspolitik ein zentrales Anliegen. Dabei möchten wir alle
einbeziehen, unabhängig von Herkunft und Geldbeutel. Wir
fordern kostenlose Kita-Plätze für alle Kinder, eine
gemeinsame Schule bis zur zehnten Klasse, die gezielte
Förderung für Kinder mit Migrationshintergrund, die
sofortige Abschaffung der Studiengebühren und mehr Geld
für das gesamte Bildungssystem in Baden-Württemberg. Die
jetzige Landesregierung macht mit ihrem Sparpaket genau das
Gegenteil: Das wird nämlich in den nächsten Jahren 6000
Lehrer den Job kosten.