Retten, was zu retten ist - Ex-Deutsche-Bank-Controller soll die HSH Nordbank vor dem Untergang bewahren
Von Hermannus Pfeiffer
In Hamburg und Schleswig-Holstein wächst die Furcht vor einer Pleite der Landesbank HSH. Diese versinkt immer tiefer im Schlamassel. Der überraschende Ausstieg des bisherigen Vorstandsvorsitzenden Paul Lerbinger wird im Norden als schrilles Alarmsignal gewertet. HSH-Logo über dem Eingang der Zentrale in Hamburg. Foto: dpa/M. BrandtZum zweiten Mal in seiner noch kurzen Amtszeit als Aufsichtsratsvorsitzender der HSH Nordbank wechselt Hilmar Kopper die Mannschaft bei voller Fahrt aus: Nach dem extravaganten Mathematiker Dirk Jens Nonnenmacher im März 2011 traf es nun den danach aus der Frührente gelockten, einstigen Wunschkandidaten Paul Lerbinger. Der überraschende Rückzug des HSH-Chefs bis Ende Oktober zeigt, dass die Bank keineswegs vor dem Untergang gerettet ist. »Die Situation ist mehr als beunruhigend und nimmt an Brisanz zu«, warnt Norbert Hackbusch, finanzpolitischer Sprecher der LINKEN in der Hamburger Bürgerschaft. Wegen der hohen Risiken aus spekulativen Altgeschäften und abgesoffenen Schiffskrediten soll nun ein Finanzcontroller das Ruder übernehmen – um zu retten, was zu retten ist, wie es in der Bank heißt.
Um eine Pleite der einst zwölftgrößten deutschen Bank zu verhindern, hatte der Hamburger Senat 2009 den früheren Deutsche-Bank-Boss Kopper als graue Eminenz an die Elbe geholt. Ausgeheckt hatten den umstrittenen Coup der damalige Bürgermeister Ole von Beust und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, beide CDU. Die Koalitionspartner SPD in Kiel und die grüne GAL in Hamburg verzichteten damals auf ein mögliches Veto. Von der Deutschen Bank brachte Kopper den Risikomanager Constantin von Oesterreich mit, den der Aufsichtsrat noch in dieser Woche zum neuen Vorstandschef wählen soll.
Joachim Bischoff von der Linksfraktion deutete 2009 die Entscheidung für den »Erdnuss-Experten« als »Ausdruck tiefster Verzweiflung«. Der in der Öffentlichkeit oft unbeholfen wirkende Kopper hatte in den 90er Jahren als Deutsche-Bank-Chef offene Rechnungen über 50 Millionen Mark, die Baulöwe Jürgen Schneider Handwerkern schuldete, als »Peanuts« bezeichnet. Ebenfalls hatte Kopper die Klage der privaten Großbanken gegen die öffentlichen Landesbanken vor der EU-Kommission mitzuverantworten. Dadurch fiel die staatliche Gewährträgerhaftung und der Weg wurde frei für wilde Finanzspekulationen, die mehrere Landesbanken an den Rand der Pleite bugsierten. Treiber waren Länderregierungspolitiker, die auf üppige Dividenden für ihre Staatshaushalte hofften. Die flossen tatsächlich jahrelang – bis zur Bankenkrise im Sommer 2007.
Die Nordbank war 2003 aus der Fusion der Landesbanken Hamburgs und Schleswig-Holsteins entstanden. »Wir waren damals alle mehr oder minder besoffen von der Idee, dass die HSH Nordbank als Global Player immer satte Gewinne einfährt«, gestand Heide Simonis (SPD), Ministerpräsidentin in Kiel, Aufsichtsratsvorsitzende und Volkswirtin, als es zu spät war.
Von satten Gewinnen ist die Bank heute weit entfernt. Das neue Geschäftsmodell einer regionalen »Bank für Unternehmer« greift nicht recht, im zweiten Quartal wurde ein Minus vermeldet. Dabei steht die Nordbank unter dreifachem Druck. Die Altlasten aus den Zockergeschäften in den 2000er Jahren müssen möglichst bilanzschonend abgebaut werden. Die Abbaubank unter dem Dach der HSH steckt aber voll heikler Risiken – »ein Sumpf«, warnt ein Aufsichtsrat. Das größte Risiko für die einst weltgrößte Schiffsbank stellt in den kommenden Jahren aber die tiefe Krise der Handelsschifffahrt dar. Obendrein zwingen die Vorgaben, welche die EU-Kommission als Ausgleich für staatliche Rettungspakete verlangt, zur drastischen Verkleinerung des Geschäfts. Was Zinseinnahmen und Chancen auf Renditen kostet – und mehr als 1000 Jobs.
Inzwischen scheinen die Länder zu prüfen, ihre Bürgschaft von 7 auf 10 Milliarden Euro zu erhöhen. Vielleicht die letzte Kugel im Lauf: Erst im Frühjahr hatten Hamburg und Kiel das Kapital der Nordbank um 500 Millionen aufgestockt und damit die Zukunft ihrer Staatshaushalte noch enger an das Wohl und Wehe der Landesbank geknüpft.
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