Bankenunion erfolgreich verschoben - Mit Verzögerungen einigt sich Europa vielleicht heute auf einen einheitlichen Aufsichtsmechanismus für seine Geldhäuser
Von Simon Poelchau
Heute starten die EU-Finanzminister einen neuen Anlauf in Sachen Bankenunion. Letzte Woche konnten sie sich über Details nicht einigen. Der Plan der EU-Kommission, nach dem die Aufsichtsbehörde am 1. Januar ihre Arbeit aufnehmen soll, scheint damit schon gescheitert zu sein.
Nach dem letzten Treffen der EU-Finanzminister war die Stimmung getrübt in Brüssel. Vor den Gebäuden des EU-Parlaments hingen die Fahnen der Mitgliedsstaaten nass und schwer an ihren Stangen herab. Kalter Nieselregen bestimmte die Stadt. »Wir sind durch die Uneinigkeit des Rates gestoppt«, resignierte am Mittwoch vor einer Woche die liberale EU-Parlamentarierin Sharon Bowles aus England.
Durch alle Parteien ging die Enttäuschung. »Die europäische Bankenaufsicht wird wahrscheinlich nicht bis zum 1. Januar möglich sein«, sagte die französische Christdemokratin Marienne Thyssen. Auch ihr grüner Kollege Sven Giegold war »sehr enttäuscht vom Rat«.
Am Tag zuvor waren die europäischen Finanzminister ohne eine Einigung über Details zur geplanten Bankenunion auseinander gegangen. Die Gründung der EU-Aufsichtbehörde ist eine Bedingung dafür, dass Banken direkt Geld vom Rettungsschirm ESM bekommen können.
Es hakte vor allem an Frankreich und Deutschland. »Alle Banken müssen umfasst werden«, betonte der französische Finanzminister Pierre Moscovici nach dem Scheitern der Gespräche eine Differenz zu seinem deutschen Kollegen Wolfgang Schäuble (CDU). Der Schatzmeister aus Berlin will nicht alle der über 6000 europäischen Kreditinstitute von der künftigen Behörde überwachen lassen. Er will eine Ausnahme für die Sparkassen. Sie sollen weiterhin von der deutschen Bankenaufsicht überwacht werden.
Ein weiterer Knackpunkt ist, ob für den einheitlichen Aufsichtsmechanismus über die Banken eine neue Behörde geschaffen werden soll oder ob die Bankenaufsicht bei der Europäischen Zen-tralbank (EZB) angesiedelt wird. Deutschland pocht darauf, dass Geldpolitik und Aufsicht getrennt werden. Ganz wichtig dabei sei, dass an der Unabhängigkeit der EZB kein Zweifel aufkomme, betonte Schäuble in der »Bild am Sonntag« noch mal seinen Standpunkt. »Demgegenüber muss eine Bankenaufsicht demokratisch legitimiert und rechtlich kontrolliert sein.«
Um vielleicht doch noch einen Kompromiss zu finden, kommen die europäischen Finanzminister heute kurz vor dem zweitägigen EU-Gipfel zusammen. Dann muss wiederum das EU-Parlament über das Ergebnis des Ministertreffen beratschlagen. Das wollten die Abgeordneten ursprünglich diese Woche bereits gemacht haben. Doch die Streitereien im EU-Rat haben den Zeitplan der Volksvertreter durcheinander gebracht. Der frühest mögliche Termin für ein Plenumsbeschluss ist jetzt in der Sitzungswoche des neuen Jahres, die am 14. Januar 2013 beginnt.
Ob die Bankenunion nun kommt oder nicht, Deutschland hat sich mit dem Beharren auf seine Punkte in wenigstens einem Standpunkt durchgesetzt: »Die Qualität muss über dem Zeitplan stehen«, bremste Finanzminister Schäuble in der Vergangenheit immer wieder seine Kollegen aus. Denn der Vorschlag der EU-Kommission sah ursprünglich vor, dass der rechtliche Rahmen für die Bankenunion bis zum 1. Januar 2013 stehen sollte.
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