Brandstifter zocken auch fürs Löschen ab - Deutsche Bank & Co. bedienen sich selbst
Von Joachim Bischoff und Norbert Weber
Für 2012 wird der Bankenrettungsfonds SoFFin einen Verlust von drei Mrd. Euro ausweisen müssen. Vor allem Abschreibungen bei der »Bad Bank« der früheren Westdeutschen Landesbank WestLB produzierten diesen Milliardenverlust. Insgesamt belaufen sich die Verluste des Fonds seit seiner Gründung Ende 2008 auf rund 25 Mrd. Euro.
Der SoFFin wurde durch Beschluss von Regierung und Parlament nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 gegründet und mit einem Volumen von 480 Mrd. Euro ausgestattet. Er kann im Notfall Garantien in Höhe von 400 Mrd. Euro und bis zu 80 Mrd. Euro Kredite an Banken gewähren. Ende November 2012 beschloss der Bundestag eine Verlängerung des Bankenrettungsfonds um zwei weitere Jahre. Die Absicherung der Banken soll in der bisherigen Höhe bis 2014 bereitstehen.
Künftig sollen dann nicht mehr die SteuerzahlerInnen, sondern die Banken selbst für Fehlentwicklungen auf den Finanzmärkten haften. Allerdings wurde der dafür ins Leben gerufene bankinterne Rettungsfonds so schlecht ausgestattet, dass es Jahrzehnte braucht, bis eine relevante Größenordnung für direkte Hilfen oder Garantien zustande kommt. Anfang 2015 soll ein europäischer Rettungsfonds seine Arbeit aufnehmen.
Jetzt hat die Presse berichtet, dass die Verwalter des SoFFin zwischen Oktober 2008 und Dezember 2012 viel Geld für externe Beratungsaufträge ausgegeben haben. Die notleidenden Banken holten sich von anderen Banken Rat und diese kassierten dafür 100 Mio. Euro an Beraterhonorare vom Bankenrettungsfonds – ein wunderbares Rettungs- und Selbstbedienungsprogramm. Allen voran waren die Deutsche Bank und die Investmentbank Goldman Sachs. Sie griffen ordentlich zu und stellten Honorarrechnungen für Beratungsleistungen in Millionenhöhe. Berateraufträge erhielten auch Unternehmensberatungen wie McKinsey und Ernst & Young sowie die Wirtschaftskanzlei Freshfields.
Verursacht wurde die weltweite Kreditkrise durch eine massive Fehlentwicklung auf den Hypothekenmärkten, die zusätzlich durch das Verbriefungsgeschäft der Banken verschärft wurde. Die Deutsche Bank war weltweit der fünftgrößte Player bei Kreditverbriefungen bzw. den Kreislaufgeschäften. Der Handel mit diesen Giftpapieren brachte die beteiligten Banken an den Rand des Abgrunds. In Deutschland wurden etliche Banken (z.B. Landesbanken) mit Steuergeldern in Milliardenhöhe vor der Insolvenz gerettet. Als Grund gab man die angebliche »Systemrelevanz« an. Jetzt stellt sich heraus, dass ausgerechnet die Krisenverursacher als Berater fungieren und hohe Honorare kassieren durften.
In den Hochzeiten der Kreislaufgeschäfte war die Deutschen Bank unter den weltweit fünf größten Händlern vertreten und verdiente prächtig. Für sie allein war diese riesige Menge an Wertpapieren nicht mehr zu bewältigen. Deshalb brachte man andere Banken ins Spiel in Form von Konsortialgeschäften. Mit dabei waren alle Landesbanken, die Hypo Real Estate Bank Gruppe (HRE) und die IKB. Mittels externer Ratingagenturen wurden dem Anlagenschrott gute Noten gegeben. Schlechte Ratings gab es so gut wie nie, schließlich waren die Ratingagenturen von ihren Auftraggebern, also den Banken abhängig.
Als die Blase platzte, war die Deutsche Bank geschickt und einflussreich genug, um – wie beim Spiel »die Reise nach Jerusalem« – immer einen eigenen Stuhl zu haben. So nutzte man den Einfluss bei der Politik und setzte sich massiv für die Rettung der HRE ein. Die Deutsche Bank war so ziemlich die Einzige, die bei der Lehman-Pleite kaum Geld verlor. Sie hatte ihren eigenen Müll über die halbe Bankenlandschaft verteilt.
Der damalige Vorstandsvorsitzende Josef Ackermann konnte sich rühmen, unbeschadet und ohne staatliche Hilfe die Finanzkrise überstanden zu haben. Er »würde sich schämen, öffentliches Geld anzunehmen«. Eigene Vertraute wurden und werden bei den Schieflage-Banken in Position gebracht, nicht zuletzt um zu verhindern, dass bekannt werden könnte, woher der ganze Müll kommt.
Die Deutsche Bank ließ faktisch die SteuerzahlerInnen für den Müll aufkommen, indem sie den Aufbau von Abbaubanken forcierte und Ausfälle durch die öffentliche Hand bedienen ließ. Wenn denn die Zeit reif ist, holt man die nunmehr gesunden Teilbereiche – sprich Kernbanken – zurück in den Konzern Deutsche Bank und spielt sich auch noch als der große Retter auf.
Für die Zukunft wurde schon mal vorgesorgt, indem man propagierte, dass der Rettungsfonds präventiv aufgelegt werden müssen, in den sowohl die gesamte Bankenlandschaft als auch der Staat einzuzahlen hätten.
Die Rettung der Hypo Real Estate Bank Gruppe (HRE) ist ein tolles Lehrstück deutscher Finanzgeschichte. Die Bank hat im Zuge ihrer Rettung bisher mehr als 100 Mrd. Euro Staatshilfe bekommen. Zur Vorgeschichte gehört, dass der Finanzmarkt in Deutschland unter der rot-grünen Bundesregierung gründlich »liberalisiert« wurde. Dazu gehörten u.a. die Steuerbefreiung für den Verkauf von Unternehmensbeteiligungen und die Zulassung von Finanzinvestoren (»Heuschrecken«).
Mitte 2007 fingen die stark überbewerteten Kreditmärkte an zu überhitzen – global, nicht nur in den USA. Kaufmännische Vorsicht war schon längst »out«, die »Goldene Bankregel« (Fristenkongruenz Mittelherkunft – Mittelverwendung) galt schon lange nicht mehr.
Aus deutscher Sicht war einer der Höhepunkte dieser schlimmen Entwicklung der Zusammenschluss der Vereinsbank (halbstaatlich) mit der privaten Münchner Hypotheken- und Wechselbank, aus dem Ende der 1990er Jahre die Hypo-Vereinsbank hervorging. Das traditionelle und solide Kerngeschäft der bayrischen Bank war die Finanzierung von Immobilien (Häuser und Gewerbeobjekte usw.) Die Gewinne waren vergleichsweise bescheiden, so dass man 2003 den gewerblichen Teil herauslöste und hierfür die rechtlich selbstständige »Hypo Real Estate Holding AG« installierte und an die Börse brachte.
Diese HRE war bereits seit Gründung eine »Bad Bank« mit einem einzigen Geschäftszweck: der Befreiung der jeweiligen Muttergesellschaft von höchst zweifelhaften Kreditengagements. 2005 folgte dann die Veräußerung an die italienische Unicredit.
Für Banken gab es einen schicken Trend: Darlehen wurden paketweise gebündelt und als verbriefte Wertpapiere auf dem Kapitalmarkt verkauft. Die Versuchung war für alle am Markt beteiligten Banken groß, auf diese Weise elegant den eigenen »Müll« loszuwerden und die Bilanz sauber zu bekommen. Eine der aktivsten Banken hierbei war die HRE, die bereits in 2004 einige tausend Einzelkredite bündelte und an den amerikanischen Finanzinvestor Lone Star verkaufte. Der Kreditmüll wurde immer größer, der Markt konnte nicht mehr alle Verbriefungen aufnehmen, zudem kam im Jahr 2007 die Depfa Deutsche Pfandbriefbank, Irland, dazu. So begann man nun im großen Stil, langfristige Anlagen durch kurzfristige Kredite zu finanzieren.
Schon sehr früh hatte sich die Deutsche Bank dieser Möglichkeiten bedient: Ihr eigener »Giftmüll«, ein mehrere Milliarden großes Wertpapierpaket, wurde Schritt für Schritt an die HRE durch Aufkauf der Papiere übertragen. Damit die HRE das bezahlen konnte, stellte die Deutsche Bank ihr großzügig Kreditlinien zur Verfügung.
Am 29. September 2008 stellte das Bundesfinanzministerium das erste Rettungspaket zur Verfügung – einen Tag nachdem die Haftung der früheren Konzernmutter Hypo-Vereinsbank auslief. Die offizielle Begründung »Systemrelevanz« für die Rettung der HRE kann man nicht gelten lassen; eine Insolvenz hätte nach Expertenmeinung lediglich den Interbankenmarkt sowie die Gläubiger der HRE, nämlich die Banken, getroffen. Im Extremfall hätten diese ihren eigenen Müll zurücknehmen müssen und sich nicht mehr als die Saubermänner präsentieren können. O-Ton Ackermann: »Wir sind in der größten Krise ohne Staat durchgekommen.«
Die Rolle der Deutschen Bank konnte bis zum heutigen Tage nicht geklärt werden: Bereits Mitte 2007 stand die IKB Deutsche Industriebank AG vor dem Kollaps. Es war Herr Ackermann, der nach Staatshilfe rief und sie letztlich auch bekam. Zuvor hatte seine Bank der IKB genau die Finanzpapiere vermittelt, die ihr dann zum Verhängnis wurden und Riesenverluste bescherten. Der Bundesrechnungshof, der oberste Kontrolleur der Verwendung von Steuergeldern, wollte damals prüfen – er durfte nicht!
Die Probleme in der HRE-Gruppe sind bisher weder gelöst noch überhaupt bezifferbar. Bereits im Februar 2009 hatte die Bundesbank ein »Eigenkapital-Szenario der HRE« erstellt, aus dem hervorging, dass in den Bilanzen der HRE »bisher unrealisierte Verluste« in einer Größenordnung von 16,3 Mrd. Euro enthalten seien. Übersetzt: Wenn diese Blase platzt, fehlen der HRE nochmals mehr als 16 Mrd. Euro.
Wieso konnte das passieren? Ganz einfach: Die Regierungen haben im Herbst 2008 den Krisenbanken erlaubt, die problematischen Papiere zum ehemaligen Einkaufspreis zu buchen. Sie durften die bereits bekannten Verluste in den Bilanzen also unberücksichtigt lassen. Ein Faktor bei dieser bankenfreundlichen Regelung: Die Bankenlobby ist in Deutschland gut organisiert und präsent, um ihre eigenen Interessen konsequent zu vertreten und durchzusetzen – eine große Rolle spielt hier die IFD, die »Initiative Finanzstandort Deutschland«.
Die weltweit operierende Investmentbank Goldman Sachs hat unlängst in Davos am Rande des Weltwirtschaftsforum den Public Eye Award 2013 für das »übelste Unternehmen des Jahres« erhalten. Die Bankmanager von Goldman Sachs, die nahezu geschlossen unter Leitung ihres Vorstandsvorsitzenden Lloyd C. Blankfein auf dem WWF vertreten waren, ließen mitteilen, man bestreite nicht, in den Jahren 2000 bis 2001 Griechenland mit komplizierten Währungsgeschäften geholfen zu haben, die Angaben über die griechischen Staatsschulden zu schönen. Hierfür habe man 300 Mio. Euro an Honorar erhalten und verdiene weiter an dortigen Beratungsleistungen.
Nicht nur an der griechischen Misere hat man verdient, auch hierzulande wurde abgezockt: Goldman Sachs, die Deutsche Bank et al. kassierten von der SoFFin Beraterhonorare in Höhe von ungefähr 100 Mio. Euro. Sie tummeln sich munter im politischen Feld, führen auf Wunsch und mit Unterstützung der politischen Klasse auf internationalem Parkett finanzpolitische Verhandlungen, beraten Regierungen und formulieren Gesetzestexte.
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